Rautenfeld, Paul von

Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Swatow, 3. Juni 1906

Swatow, d. 3. Juni 1906

Hochgeehrter Herr Professor.

Meinen besten Dank für Ihren so überaus liebenswürdigen Brief vom 27ten April, welchen ich eben erhielt. Ich bin hoch erfreut, daß Herr Professor Hans Meyer den genialen Gedanken gehabt hat die bescheidene Spende, welche ich ihm zu Ihrem 70ten Geburtstage mit der Bitte gesandt hatte, damit ein Jubiläumsgeschenk für Sie zu erstehen, für den Ankauf der Ammerbacher Platte zu benutzen. Hinge es nicht fast ausschließlich von meinem, freilich recht gutem Gehalte ab, ich gäbe gerne noch || sehr viel mehr dahin, um Ihnen, hochverehrter Herr Professor, eine Freude zu bereiten, bliebe es doch immer ein bloßes Nichts im Vergleich zu dem, was ich Ihnen in geistiger Beziehung verdanke.

Sehr betrübt hat es mich von Ihnen zu hören, daß Sie im vorigen Winter leidend waren. Ich hoffe das Herzleiden ist vollkommen gewichen und der Rheumatismus ließe sich vielleicht durch Gymnastik und einen Winteraufenthalt in Italien heben. Wenn ich daran denke wie Sie vor wenigen Jahren mich armen Pekinger Belagerungsinvaliden auf schwindelerregendem Bergpfade zur „Liebeskrippe“ führten und darauf selbst den steilen Felsen der Krippe erklommen, so kann ich Sie mir als krank überhaupt nicht vorstellen. Ein hohes und gesundes || Alter ist ja Ihrer Familie eigentümlich, und so hoffe ich zuversichtlich, daß auch Sie, hochgeehrter Herr Professor, von fernerem Kranksein bewahrt bleiben werden und das Alter des bekannten Chemikers Chevreul erreichen werden.

Im Mai 1908 hoffe ich mit Ihnen zur Ammerbacher Platte hinaufsteigen zu können, denn ich habe jetzt das größte Interesse sie kennen zu lernen. Unterwegs lausche ich dann auf die Lösung „mikroskopischer Geheimnisse“ ehe die „Makroskopie“ meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Wie gerne würde ich meinen ganzen Urlaub in Jena verbringen, doch Rücksichten gegen meine alten Eltern, welche mich möglichst lange bei sich haben wollen, werden wohl jenen Wunsch nicht zur Ausführung kommen lassen. ||

Den nachnächsten Winter, gleich nach Antritt meines Heimatsurlaubs, beabsichtige ich bei Bekannten in Ostindien und Ceylon zu verbringen und dann etwa im März in Neapel einzutreffen. Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich ab und zu auf zu Ihrem schönen Aquarell der Kokos-Insel bei Belligemma, welches vor mir an der Wand hängt, und nehme mir dann vor dieses Mal die „bella gemma della Taprobane“ durchaus aufzusuchen. Während meiner ersten Ceylon-Reise hatte ich leider nicht die Zeit dazu, weil Dr Trimen mich damals überredet hatte nach Anuradhapura zu gehen.

Von Ihren bis hiezu erschienenen schönen Wandertafeln besitze ich bereits zwei Exemplare, ein eingebundenes und eins in losen Blättern || zum Zweck des Einrahmens. Das in Ihrem Briefe erwähnte Exemplar habe ich von Ihrem Verleger nicht erhalten. Es war sehr liebenswürdig von Ihnen beim Erscheinen des Werkes auch an mich gedacht zu haben.

Ich las eben in der diesjährigen No. 18 des „Menschentums“ Ihre Berichtigung einer Auslassung der Magdeburger Zeitung gegen Sie. Die Dunkel- und Duselmänner, wie der treffliche Dr August Specht Ihre Gegner mit Vorliebe nennt, scheinen sich noch immer nicht über die „Welträtsel“ beruhigen zu können. Ich lasse mir schon seit geraumer Zeit keine Anti-Haeckel-Schriften mehr senden; sie öden mich zu sehr an mit ihren ewigen Wiederholungen sinnloser Argumente.

Mein chinesischer „Welträtsel“-Übersetzer || Herr Xsü schreibt mir aus Foochow, daß er die „Welträtsel“ zur Hälfte bereits übersetzt hätte, und fragt an ob er nicht seine bisherige Arbeit als ersten Band der „Welträtsel“ veröffentlichen solle. Ich habe ihm geantwortet, daß er lieber zuerst das ganze Werk fertigstellen und dann erst um Erlaubnis bei Ihnen für die Veröffentlichung einkommen sollte.

Sonst ruht er mir vielleicht zu früh auf seinen Lorbeeren aus. Hoffentlich wird etwas Vollständiges aus der Übersetzung. Mein Freund und Kollege Herr Hsü ist ein sehr aufgeklärter Mensch und beherrscht das Englische vollkommen. Er benutzt daher auch zur Übersetzung ins Chinesische die englische Volksausgabe der „Welträtsel“. Deutsch versteht er leider garnicht.

Indem ich Ihnen nochmals für Ihren || hochgeschätzten Brief danke, verbleibe ich

mit bestem Gruß,

Ihr ganz ergebener

P. v. Rautenfeld

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
03.06.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 22288
ID
22288