Rautenfeld, Paul von

Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Riga, 30. Juli 1901

Riga, den 17ten (30.) Juli 1901.

Hochgeehrter Herr Professor!

Eben vom Lande zurückgekehrt, finde ich Ihren liebenswürdigen Brief vom 17ten Juli neuen Stils vor und statte Ihnen nunmehr meinen besten Dank für denselben ab. Schon auf meiner Heimreise von St. Blasien hatte ich mir in Berlin Heft 5–10 der „Deutschen Rundschau“ gekauft und mit großer Freude bis zum zehnten Hefte die „malayischen Reisebriefe“ gelesen. Da erfuhr ich mit Betrübnis im letzten Hefte, von Ihrem Mißgeschicke in Padang und tröstete mich erst als ich das Heft zu Ende gelesen und gesehen hatte, daß sowohl Ihre Gesundheit wieder hergestellt als auch das schöne Sumatra-Programm im || Großen und Ganzen doch gelungen sei. Viele wertvolle Naturalien liefen ja von liebenswürdigen Gastfreunden ein, die Naturkinder von Nias und Sibarus eilten herüber zum benachbarten Gestade, um sich vorzustellen und der Besuch des Padanger-Hochlandes wurde dennoch vollständig ausgeführt. Und nun hat die Nachricht von der glücklichen Rückreise nach Jena und erfolgreichen Kur in Baden-Baden meine große Besorgnis um Sie, hochverehrter Herr Professor, in aufrichtigste Freude über die wohlgelungene Forschungsreise in Insulinde umgewandelt. Mit Ungeduld erwarte ich jetzt den zwölften Band der Rundschau und habe mir bereits eine Anzahl Exemplare von der zu erscheinenden illustrierten Ausgabe der „malayischen Reisebriefe“ für mich und meine Freunde als Weihnachtsgeschenk verschrieben. Bilden doch jene Briefe auch ein ideales Tagebuch für mich, der ich meiner kranken Augen wegen selbst fast gar keine Notizen in Java || machen konnte. Ferner fühle ich mich ganz besonders beglückt meinen Namen in so freundlicher und ehrender Weise in dem unsterblichen Buche verzeichnet zu wissen.

Im nächsten Frühling hoffe ich mit Bestimmtheit mich in Jena auf einige Wochen niederlassen und dann Ihre schönen Aquarelle und tropischen Schätze aus den so zahlreichen Kisten bewundern zu können. Augenblicklich lese ich Wilhelm Bölsches Lebensbild von Ihnen und muß sagen, daß der Verfasser mir aus der Seele spricht. Schon früher hatte ich Bölsche auf das Angenehmste aus seiner „Entwickelungsgeschichte der Natur“ und seiner Kritik über „die Welträtsel“ kennen gelernt, welche letztere mir ein Balsam war gegen die hohlen und engherzigen Angriffe der meisten Welträtselgegner. Im Juni lernte ich in Karlsbad einen liebenswürdigen alten Theologen kennen, welcher sich mit mir in eine Diskussion über die „Welträtsel“ einließ. Das biogenetische Grundgesetz wurde von ihm so ausgelegt als wenn der Schöpfer || „zum Ergötzen der Menschheit“ die embryologischen Umwandlungen geschehen ließe und der Darwinismus stütze sich seiner Ansicht nach, bloß auf eine vage Hypothese, könnte man doch niemals aus einem Huhn eine Ente sich entwickeln lassen: das Huhn fliehe unter anderem stets das Wasser! Zur Unterstützung dieser seiner Ideen sandte er mir noch am nächsten Tage einen Artikel contra Haeckel aus dem „Reichsboten“, welcher aber ebensowenig überzeugend auf mich wirkte wie die zahlreichen schon vorher gelesenen antimonistischen Schriften. Allein, wie sollte man sich über solche Argumentationen wundern, wenn selbst ein Virchow behaupten kann, „daß der Mensch ebensogut vom Schafe oder vom Elephanten als vom Affen abstammen könne“.

Was Herrn Dr Hafferberg anbetrifft, so werde ich nicht unterlassen ihm und seiner Gemahlin Ihren liebenswürdigen Gruß, sobald ich dieselben sehe, zu übermitteln. Indem ich Ihnen, Herr Professor, angenehme Herbstferien wünsche, verbleibe ich Ihr ganz ergebener,

P. von Rautenfeld

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
30.07.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 22282
ID
22282