Rautenfeld, Paul von

Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Swatow, 5. Juli 1904

Swatow, d. 5. Juli 1904

Hochgeehrter Herr Professor!

Meinen besten Dank für Ihre liebenswürdigen Zeilen vom 21ten März aus Bordighera. Auf die „Münchner Jugend“ bin ich leider nicht abonniert, habe mir aber die No. 8 bereits verschrieben, um den Artikel über Ihre Geburtstagsfeier in Rapallo lesen zu können. Wie freut es mich, || daß Ihr Winteraufenthalt in Italien so sehr zu Ihrer Befriedigung ausgefallen ist. Auch Ihr Herr Schwiegervater schrieb mir vor einiger Zeit, daß Sie den Sturm und Drang Ihres 70ten Geburtstages „frisch und fröhlich“ überstanden hätten. Ich muß mich auch anklagen einer unter den vielen Stürmern gewesen zu sein, doch „was das Herz voll ist, das geht der Mund über“. Um so mehr habe ich es anzuerkennen, daß Sie mich mit so baldiger Antwort beglückt haben.

Die kleinen Andenken, welche || ich Ihnen gesandt habe, sind a nicht des Erwähnens wert. Ich wünschte ich wäre Zoologe von Fach um Ihnen mit interessanteren Dingen dienen zu können. Die nunmehr vollständige chinesische Übersetzung des „Glaubensbekenntnisses“ erlaube ich mir Ihnen hiermit im Manuskript als nachträgliches Geburtstagsgeschenk zu freier Verfügung in Bezuge auf eventuelle Veröffentlichung zu übersenden, falls eine Publikation bei den vielen Mängeln, die der Übersetzung gewiß an-||haften, sich empfiehlt und sich ein Verleger in Europa dazu überhaupt finden läßt.

Den 16ten Februar verbrachte ich, auf einer Urlaubsreise nach Bangkok begriffen, auf dem deutschen Dampfer Pitsanulok im Golfe von Siam. Mit dem Kapitän, dem ersten Offizier und dem Schiffsarzt, alles Gesinnungsgenossen, leerte ich eine Flasche Sekt auf Ihr Wohl, und bald darauf wurden uns noch die Feststimmung erhöht durch den seltenen Anblick einer herrlichen Naturerscheinung: – || dem ruhigen Spiegel des Meeres entstieg eine großartige Wasserhöhe in der Nähe unseres Schiffes und vereinigte sich mit einer dunklen Stelle am Himmel.

Tagsvorher hatte ich Dr Hanitsch in Singapore, im Museum besucht, welcher mir sagte, daß er Ihnen auch zum Geburtstag brieflich gratuliert hätte.

Vor Kurzem las ich Breitenbach’s treffliches Lebensbild von Ihnen und in diesen Tagen erwarte ich auch die Ihnen zu Ehren abgefaßte Festschrift. Auch die „Kunstformen || der Natur“ liegen vollendet vor mir. Es thut mir leid, daß diese wunderschönen Tafeln bereits abgeschlossen sind, ich wünschte sie würden bis ins Unendliche fortgeführt. –

In verehrungsvoller Ergebenheit

Ihr

P. von Rautenfeld

a gestr.: nicht

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
05.07.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 22279
ID
22279