Rautenfeld, Paul von

Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Peking, 25. Oktober 1899

Hochgeehrter Herr Professor!

Vor wenigen Wochen erhielt ich Ihre liebenswürdigen Zeilen vom 31ten Juli, welche mich von dem Empfang meines an Sie von hieraus gerichteten Briefes sowie von dem baldigen Erscheinen eines neuen Werkes von Ihnen benachrichtigen. Ich sehe letzterem mit großer Ungeduld entgegen und habe es mir bereits verschrieben. Der Titel allein verspricht schon sehr viel Interessantes, denn wer könnte mir mehr Objektivität und Klarheit über die Welträtsel reden als Sie, Herr Professor! ||

Meinen besten Dank statte ich Ihnen auch für Ihren so überaus interessanten, in Cambridge gehaltenen Vortrag über den Ursprung des Menschen ab. In demselben hat mich besonders Ihre Beurteilung der Entdeckung des fossilen Pithecanthropus erectus durch Eugen Dubois interessiert. Es wäre mit derselben nunmehr das vielgenannte „missing link“ beseitigt, welches ich, nebenbei bemerkt, nie für absolut nötig hielt, um mich von der Wahrheit der Abstammung des Menschen von einer ausgestorbenen tertiären Primaten-Ketten zu überzeugen.

Ich besitze Ihren Vortrag auch in englischer Sprache und habe ihn eben meinem genialen Chef Sir Robert Hart zu lesen gegeben. Ich habe mir gleichfalls Ihre „Kunstformen der Natur“ kommen lassen, denn, nachdem Sie mir in Jena Ihre so naturgetreu und künstlerisch ausgeführten Studien der niederen Seetiere || gezeigt hatten, hegte ich stets den Wunsch so viel wie möglich von denselben zu besitzen.

Wenn dieser Brief Sie erreicht werden Sie, Herr Professor, vielleicht schon von Ihrer diesjährigen Reise zurückgekehrt sein. Ich bin gespannt zu erfahren, wohin dieselbe Sie dieses Mal geführt haben wird. Die Jahreszeit läßt nicht auf Italien, welches Sie, wie Sie mir sagten, sonst mit Vorliebe besuchten, schließen. –

Im Jahre 1901 erhalte ich möglicherweise meinen zweijährigen Urlaub und beabsichtige dann, soweit sich das vorausbestimmen läßt, die berühmte Tempelstadt Angkor in Hinterindien aufzusuchen und darauf über Java und Kapland (mit Ausflug nach Pretoria) heimzukehren. Mein Lieblingsland Ceylon sehe ich dann erst auf meiner abermaligen Rückkehr nach China wieder.

Indem ich Ihnen, Herr Professor, nochmals || für Ihre freundliche Karte und die übersandte Broschüre danke, verbleibe ich

Ihr, Ihnen ganz ergebener

P. von Rautenfeld

Peking, den 25. Oktober 1899.

Inspectorate General of Customs.

[Beilage: beschriebene Visitenkarte]

Bitte um meinen Urwalds-Stock den ich zum Andenken mitnehmen möchte. Er steht am Sofa. Mit bestem Gruß.

P. BERENS VON RAUTENFELD.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
25.10.1899
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 22276
ID
22276