Prag, 30. December 87.
Hochverehrter Herr Professor!
Für Ihren freundlichen Brief, den ich vor den Feiertagen erhalten habe, sage ich Ihnen den besten Dank; desgleichen für den zweiten Band Ihrer Radiolarien, den ich endlich nach langem Suchen in einer hiesigen czechischen Buchhandlung ausfindig gemacht habe. Solche Arbeiten lassen sich wohl nur an einem ruhigen Orte in dieser Vollendung ausführen.
Ich kann Ihnen von mir leider nichts Erfreuliches mittheilen. Meine Aussichten, nach Wien zu kommen, scheinen mir sehr gering zu sein. Dagegen wird für Zuckerkandl sehr lebhaft agitirt; || namentlich legen sich die Grazer sehr energisch für ihn in’s Zeug, während andererseits meine Collegen in Prag froh zu sein scheinen, wenn ich hier bleibe; sie fürchten, dass, wenn ich nach Wien käme, Zuckerkandl nach Prag versetzt würde. Ich selbst kann natürlich auch nichts thun und es widerstrebt mir auch, irgend welche Schritte zu unternehmen; ich muss daher ruhig abwarten, was die nächsten Monate bringen werden.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Bereitwilligkeit, sich gegebenen Falles für mich einzusetzen; es scheint mir aber nicht, dass Ihre Güte in Anspruch genommen werden wird. Auch glaube ich nicht, dass man Gegenbaur fragen werde. Am 14. Jänner wird das Comité eingesetzt, das den Vor-||schlag zu machen hat.
Für mich ist die ganze Geschichte eben zu früh gekommen. –
Ich sitze jetzt fleissig an meiner Mesodermarbeit, die ich fertig stellen muss, bevor ich wieder an der Entwicklung des Wirbelthierkopfes weiterarbeiten kann. Zu Ostern gehe ich wieder (zum dritten Mal) nach Neapel, um endlich mit den Selachiern fertig zu werden. In Beziehung auf die Frage nach der Metamerie des Wirbelthierkopfes bin ich ganz anderer Ansicht als Gegenbaur.
Hertwig hat mir mitgetheilt, dass Sie in den Herbstferien an einem Hygroma praepatellare erkrankten und in Folge dessen Ihre Ferienreise unterbrechen mussten. Wie geht es Ihnen? Hoffentlich doch wieder ganz gut! ||
Ich bitte, einen Handkuss an Ihre Frau Gemalin und einen schönen Gruss an Walter zu entrichten.
Wer kommt an Hertwig’s Stelle nach Jena? Ist bereits ein Vorschlag gemacht? Ich lasse Hertwig, Bardeleben und Preyer bestens grüssen.
Ich verbleibe mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr
dankbar ergebener Schüler
Rabl.
Besten Glückwunsch zum neuen Jahre!