SAMSON & UNNA
HERMANN COHEN & CO NACHFL.
HAMBURG
Dundee 27.a7.1878
Herrn Dr Ernst Haeckel
Jena.
Ich habe Ihr bedeutendes Werk „Natürliche Schöpfungsgeschichte“ mit dem größten Interesse und, so weit es meine Schulkenntnisse gestatten, mit Verständniß gelesen, war jedoch schon vorher durch Darwins Schriften von der Wahrheit der Theorie – man sollte sie besser „Lehre“ nennen – überzeugt.
Mit meinem gewärtigem ergebenen Schreiben nehme ich mir die Freiheit, eine bescheidene Anfrage an Sie zu richten. Ich habe nämlich in einem Falle die so genannte künstliche Züchtung oder vielmehr ihre Wirkung nicht gefunden, wo man sie bestimmt erwarten sollte.
Es wird Ihnen bekannt sein, daß bei uns Juden die männlichen Kinder beschnitten werden, d. h. es wird ihnen vom Zeugungsorgane die Vorhaut abgenommen. Da dieses Experiment nun entschieden zum Vortheil der Gesundheitb des Organs ist, indem es Entzündungen weniger leicht aufkommen läßt, und dasselbe bereits seit 4/5000 Jahren mit eiserner Konsequenz durchgeführt wurde, so wundert es mich, daß die Judenknaben noch immer mit und nicht ohne Vorhaut geboren werden. Mir ist wenigstens ein derartiger Fall nicht zu Ohren gekommen, obgleich ich dennoch umhörte und es müsste bei dieser Sache doch, soweit ich Sie verstanden habe, das Gesetz der Vererbung neu erworbener Eigenschaften ganz klar zu Tage treten.
Sie würden mich ungemein verpflichten, wenn Siec || mir eine Erklärung für diesen Ausnahme-Fall möchten gütlich zukommen lassen, die Geschichte geht mir schon Wochen lang im Kopf herum, ich verstehe sie nicht und habe hier keinen Menschen, der mir Aufschluß geben könnte.
Betrachten Sie bitte meine Anfrage nicht als einen dummen Witz; wenn sie auch selbst dumm sein mag, so soll es doch kein Witz sein – ich möchte gerne belehrt werden.
Ich hoffe, Sie werden meine bescheidene Bitte erfüllen.
Ergebenster
Heilbrunn. –
Adresse:
F. Heilbrunn Esqu
c/o Messrs Samson & Unna
Dundee
Scotland.
a korr. aus: 22.; b eingef.: -heit; c am Fuß der Seite: verte