Ferdinand von Richthofen an Ernst Haeckel, Leipzig, 15. Juli 1884
Leipzig d 15.7.1884.
Lieber Freund!
Herzlichen Dank zunächst für das ehrenvolle Diplom, in erster Linie Dir selbst, und dann den Herren, welche mit Dir im Vorstand sind, und von denen ich ja Dr Regel schon zu kennen das Vergnügen habe. Auch Herr Pfarrer Kunze ist mir durch seinen regen Eifer in den „Mittheilungen“ recht bekannt. Gern gehöre ich dem nachbarlichen Verein an, und vielleicht kann ich auch einmal eine Sitzung besuchen. Du bist wol so gut, es zu übernehmen, den anderena Herren des Vorstandes meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Mit meinem Brief hätte ich Dir zuvorkommen sollen. Aber die Verzögerung hat den angenehmen Eindruck nicht abgeschwächt, den wir von unserer Fahrt nach Jena mitgebracht haben. Mir ist es eine große Freude gewesen, || unser altes freundschaftliches Verhältniß zu erneuern, in Dir den enthusiastischen thatkräftigen Jüngling aus alter Zeit, wenn auch inzwischen zum Manne gereift, mit warmem Herzen und frischem Sinn wiederzufinden, Dich in Deinem Kreise Deiner Familie zu sehen und das engere Heiligthum Deiner immensen Thätigkeit kennen zu lernen. Dazu hat Jena selbst so viel Schönes. Der botanische Garten, der Abendweg zum Forsthaus, die Frühstücksaussicht vom Schweizerhaus – Alles bewahren wir gern in Erinnerung. Auch der Rückweg über b Gera war recht genußreich. Dir selbst und Deiner verehrten Gemahlin sage ich noch, zugleich im Namen meiner Frau, unseren herzlichsten Dank.
Daß Ihr jetzt nicht kommen könnt, bedauern wir sehr, um so mehr, als Dein Fußleiden Dich daran hindert. Uebrigens würde es gerade jetzt in Leipzig unerquicklich heiß sein. Aber bis zum || nächsten Sommer darfst Du nicht warten. Der Oktober, den wir vermuthlich ganz hier verbringen werden, ist noch ein gut geeigneter Monat für die Fahrt nach Leipzig. Der Winter ist ungünstig, da es dann hier nichts zu zeigen gibt. Das Schönste sind hier die herrlichen Eichenwälder, die nach dem Oktober schmucklos sind.
Besten Dank für den „Adams-Pik“, den ich erst aus Deinen genialen Aquarellen gut kennen gelernt habe; in der Nähe sah ich nur Wolken an der Stelle des Gipfels; erst bei der Rückreise von China erblickte ich die Umrisse der Gebirge von Ceylon beim Vorüberfahren in völliger Reinheit und Schärfe. Solltest Du den höchst originellen Bericht von Marignolli (dem Marignola) noch nicht im Original gelesen haben, so kannst Du Dir damit eine heitere Stunde bereiten. Das alte Manuscript ist abgedruckt in
monumenta historica Bohemiae nusquam antehac edita; collegit P. Gelasius Dubner, 2 Bände, Prag 1764 u. 1768.
übersetzt von Meinert in
Abhandlungen der Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Band VII, 1820 ||
Sollte Beides in Jena nicht vorhanden sein, so findest Du die Buchstellen in Yule’s Cathay and the way thither (Hackluyt Society 1866), außerdem besprochen von Kunstmann in historisch politische Blätter Bd 38, p. 701 und 790 ff. Ich entnehme diese Notizen alten Aufzeichnungen von meiner Bethätigung mit alten Chinareisenden her. Ueber allen diesen ist er der naivste und amüsanteste.
Auf das Wiedersehen in Leipzig im Herbst (October) rechne ich bestimmt. Wir haben zwei fast stets unbesetzte Gastzimmer; Du kannst also Deine ganze Familie mitbringen.
Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus
Dein F v Richthofen
a eingef.: anderen; b gestr.: J