Ferdinand von Richthofen an Ernst Haeckel, Leipzig, 20. Februar 1885
Leipzig d 20.2.85.
Lieber Freund!
Ich habe hier mit Credner über die Jenaer Stelle gesprochen. Es stimmt mir in dem Urtheil über Lepsius und Steinmann bei, meint aber, daß Lepsius wol doch einen Ruf annehmen würde. Ich habe gegen ihn ein einziges Bedenken. Der neue Inhaber der Stelle wird berufen sein, mit Dir zusammen zu gehen, da ein wirklicher Paläontologe doch die nächsten Berührungen mit Dir hat. Du wirst vielleicht Lepsius kennen. Ich selbst schätze ihn sehr, glaube aber nicht, daß er sich für Deinen Specialcollegen besonders eignet. Ihr seid zu verschiedene Menschen. Dagegen würde Dir Steinmann vermuthlich vollkommen sympathisch sein. ||
In einem nachträglichen Brief macht heute Credner noch auf Dr. Branca aufmerksam, der, wie ich glaube, bei der geologischen Landesanstalt in Berlin angestellt ist. Er ist über 40 Jahre alt. Ich kenne ich nicht persönlich; doch rühmt ihn Credner auch in dieser Beziehung. Die Vorträge, die er gehalten hat, sind mir sehr gerühmt worden. Arbeiten hat er gemacht
über Entwickelungsgeschichte der Cephalopoden
über die von Dr. Reiss in Ecuador gesammelten Säugethierreste
über den unteren Dogger in Lothringen.
Ein Verzeichniß von Dr Steinmann’s Arbeiten gedenke ich Dir nächstens zu schicken.
Ein hiesiger Dr Dalmer scheint es Dir als nicht unmöglich bezeichnet zu haben, daß Credner selbst die Stelle in Jena annehmen würde. ||
Ich bin von Credner autorisirt, eine derartige Idee im Keime zu ersticken und Dir gegenüber zu beteuern, daß er nicht daran denkt, seine jetzige Stelle und Thätigkeit aufzugeben.
In Eile
mit bestem Gruß
Dein F v Richthofen