Karl Rothe an Ernst Haeckel, Weimar, 30. Juni 1914
Sehr verehrter Herr Professor!
Die mir gütigst gesendete Schrift „Gott-Natur“ habe ich mit großem Interesse gelesen und dabei die Klarheit und Anschaulichkeit bewundert, mit der Eure Exzellenz in übersichtlicher Kürze den Hauptinhalt Ihrer naturwissenschaftlichen und || philosophischen Studien und Arbeiten zur Darstellung gebracht haben, indem Sie gleichsam von hoher Warte aus Ihr Lebenswerk überschauen. Nicht ohne innere Ergriffenheit habe ich aber auch aus der Schrift ersehen, daß Sie nunmehr Abschied nehmen wollen von dem Werk, dem Sie sich in dem Streben nach der Erkenntnis des Wahren, Guten u. Schönen während || zweier Menschenalter in nie verzagendem Enthusiasmus und immer gleicher Überzeugungstreue gewidmet haben.
Um so mehr muß ich mich Ihnen, hochverehrte Exzellenz, zu Dank verpflichtet fühlen, für die freundliche Gabe, mit der Sie mich beehrt haben; ich glaube diesem meinen Dank keinen besseren Ausdruck geben zu können, || als durch den Wunsch, dass es Ihnen noch recht lange vergönnt sein möge, sich Ihres Lebenswerkes zu erfreuen.
Mit diesem herzlichen Wunsch verbinde ich die Versicherung verehrungsvoller Ergebenheit, mit der ich verbleibe
Ihr
Rothe.
Weimar
den 30. Juni
1914.