Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 10. Dezember 1908
Paul Rottenburg.
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Rottenburg, Glasgow.
10 Dec 1908
Liebster Freund!
Weihnachten & Neujahr stehen vor der Thür und im letzten Augenblick drängt sich immer noch so viel zusammen daß ich Dir und den Deinen lieber heute verfrüht schon alles Gute wünsche als es später übersehe. Hoffentlich läßt sich 1909 beßer in jeder Beziehung für uns Alle an. – Für Deinen || letzten Brief noch herzlichsten Dank – der Sonntag in Berlin war doch sehr nett. – Aber! ich habe seitdem 2 Wochen zu Bette gelegen und muss mich auch heute noch sehr in Acht nehmen und fühle mich von der geringsten Anstrengung gleich todtmüde. Der Arzt befürchtete Rheumatisches Fieber. – Ich habe in letzter Zeit zu viel Fußtritte erhalten und bin zu alt um das nemo me impune lacessit || durchzuführen. – Zudem geht Einem dieses ewige politische Gelärme an die Nieren. Man hat ja keine 5 Minuten mehr Ruhe. – Bülow und Wilhelm II Affaire sieht auch einem Theater Coup ähnlicher als wirklichen Wandel. Die Großen des vorigen Jahrhunderts wachsen zu immer größerer Herrlichkeit in der Erinnerung heran und die heutigen „faiseurs“ schrumpfen dagegen zu immer kleineren || Affen zusammen. –
Caviar und Bols dürfen in Villa Medusa nicht fehlen und schmecken Dir hoffentlich nach wie vor. –
Mit den herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus
Ever Dein
Paul Rottenburg
Unsere zwei Mädchen schwimmen gegenwärtig en route nach Aegypten (Assuan) –
P.R.