Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 26. September 1883

Holmhurst,

Dowanhill Gardens,

Glasgow.

26. Sept. 83.

Liebster Freund!

Vielen Dank für Deinen Brief vom 26ten Juli. Ich habe meine Ferien mit der Familie in Crieff verlebt, bin viel in den Bergen am Loch Earn umhergekreucht und habe meiner Farnkräutermanie die Zügel schießen lassen. Ansprüche an Wetter sind nachgerade so bescheiden geworden daß [wir] mit zwei guten Tagen in der Woche schon zufrieden [sind] und die hatten || wir. – Ende August kam ich zum Begräbniß vom alten Asser zur Stadt, denselben den Du seiner Zeit in Hamburg kennen lerntest und später in Glasgow wieder sahst. Eine Reihe Schlaganfälle hatten ihm im August Gesicht und Sprache geraubt und es ist ein Segen, daß er kein langes Krankenlager gehabt hat. Bei seinem Tode kam ein Roman zu Tage, den man in irgend einem Buche für das Produkt eines verrückten Schriftstellers halten würde. Der eingefleischte Junggeselle entpuppte sich als 12jähriger Gatte || und Vater von 3 Söhnen, von denen der Aelteste 16. – Vor 12 Jahren auf dem Standes Amt verheirathet, hat er die Familie nur wie der Dieb besucht und die Sache wirklich vor allen Bekannten geheim gehalten. Sie war ein früheres Dienstmädchen, die dem Gatten jetzt vielsagenden alten Gedenkvers gewidmet hat und wenigstens nachträglich die Welt wissen lassen will, daß sie eine verheirathete Frau war. – Das bringe mal Einer in Jena fertig! –

Ich war einen Tag || in der 2ten Hälfte August in Edinburgh Freund Murray besuchen und mir die Stelle und Pläne für seine zoologische Station besehen. Es ist ein alter Steinbruch, der bei Hochwasser von der See überfluthet einen ganz hübschen Hafen bildet und als Bassin für gewisse Seethiere sehr geeignet sein sollte. Fürs Erste fehlt noch das nöthige Kleingeld zu dem Unternehmen. – Murray erwartet Dich im April und wir rechnen bestimmt darauf das Du „Röschen“ mitbringst || und uns in Pension giebst, solange Radiolarien Dich in Edinburgh festhalten. –

Die zwei neuen Boote, die die Fahrt von Hamburg nach Leith jetzt in 42 Stunden machen, machen jeden Einwand Eurerseits unmöglich. –

Der „Türke“ ist bestellt – schwimmt von London nach Hamburg und erreicht mit Hülfe von Matthias Rohde, den Hamburger || Spediteur in Jena hoffentlich glücklich. – Meine besten Wünsche bezüglich Gefallens in Muster und Farben und Passens in der Größe begleiten ihn. Ihr habt bei Euch so gute Fußböden daß der freigelassene Rand gebeizt und lackirt zu dem Teppich sehr gut aussehen wird. –

Wir haben Dich neulich auf dem Adams Pik begleitet. In die Freude über die schönen Bilder || mischt sich immer die Sehnsucht nach dem Ceylonesischen Sonnenschein und Grün zumal jetzt wo sieben Monate mehr oder weniger Winter vor der Thür stehen. Hast Du Deine geliebten Singhalesen in Berlin wiedergesehen oder warst Du vielleicht ihrer Einer!? Ganymed hätte zum Besuch kommen sollen.

Viele Grüße von Haus zu Haus

Immer Dein treuer

Paul Rottenburg

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
26.09.1883
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 20049
ID
20049