Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 15. Oktober 1882

Glasgow 15 Oct.

1882.

Liebster Freund! ‒

Du sammelst glühende Kohlen auf mein Haupt! Dein lieber Brief von Ende Juli noch unbeantwortet und seitdem schon mehrere Lieferungen der Indischen Reisebriefe und der Eisenacher Vortrag in doppelter Ausgabe! In den schönen Bildern von Ceylon haben nicht nur ich und meine Frau geschwelgt, sondern auch viele Bekannten, denen ich die Hefte lieh. Tausend Dank für Alles! Ich glaube Land und Leute gesehen zu haben und meine Frau || sowohl wie ich bedauern Ganymed nicht importiren zu koennen. – Wenn ich beim Vorlesen mitunter seufzte – Belingamma nicht in Wirklichkeit zu sehen, so tröstete mich meist meine Frau mit der „Gemmi“ und ich mussa gestehen daß die auch Bella. – Also, kurz nach Eintreffen Deines Briefes traten wir besagte Hochzeitsreise nach fast 12jähriger Ehe an, gingen schnurstracks nach Oeynhausen, Rendezvous mit unserer Schwiegermutter, via Coeln nach Heidelberg || mir ganz neu. – Mit der herrlichen Schwarzwaldbahn nach Constanz. 1 Tag mit Professor von Recklinghausen in Wolfsberg bei Arenaberg – Sie eine Freundin von meiner Frau. – Via Zürich/Arth auf den Rigi Kulm. Sonnenuntergang und Aufgang – das schönste seit Erschaffung der Welt. Zu Fuß hinunter nach Weggis, per Dampfer nach Brunnen, Mittag auf dem Axenstein und zur Nacht nach Luzern. Seit der Eröffnung der Gotthardbahn ist Luzern so überfüllt – namentlich von Italienern, daß wir || erst im dritten Hotel unterkamen. Von Luzern per Wagen nach Hergiswyl, auf den Pilatus, übernachtet – nach Alpnach zu Fuß, per Dampfer nach Luzern; Abends sehr gutes französisches Theater. – Per Dampfer nach Flüelen und per Wagen durch das entzückende Reuss Thal nach Hospenthal. Ueber die Furka an der Rhonegletscher nach dem Grimselhospiz. Schneesturm! Durch das obere Haslithal an den entzückenden Handeckfall und nach || Meyringen. Abstecher nach dem Rosenlauigletscher. ‒ Nach Brienz und dem Gießbach. Erinnerungen von vor 2 Jahren gefeiert. Nach Interlaken. Abstecher nach Grindelwald und Thun. Via Spiez nach Kandersteg. Unterwegs „der blaue See“ märchenhaft schön. Ueber die Bella Gemmi nach Leuk, Visp und Zermatt. 3 Tage in Zermatt mit Gornera Grat ‒ Hörnli etc. und dann via Genf Paris Heim. Im Ganzen || hatten wir Glück mit dem Wetter. Grindelwald verregnete sehr. Chamonny ist für eine weitere Reise aufgehoben und hoffe ich wir koennen uns dort ein Rendezvous geben. –

Seit wir zu Hause, haben wir ziemlich viel Krankheit im Hause gehabt und jetzt gesellt sich noch die sehr große Unannehmlichkeit, daß wir Handwerker im Hause haben um Schwamm zu curiren. Neuer Balkon! sogar eine neue Zwischenwand! – || Sieh Dich nur damit in Villa Medusa vor, und daß die nöthige Ventilation unter den Fußböden angebracht wird! – Wann werdet Ihr denn Euer neues Heim beziehen? – –

Deine Eisenacher Rede war bruchstückweise in „Nature“ und davon zogen wieder andere Blätter vielfach aus. Darwins Brief scheint mir indessen in der Rückübersetzung gelitten zu haben soweit ich mich auf das Original besinnen kann. Wenn es Dir nicht zu viel Mühe macht hätte ich || gerne eine wortgetreue Copie des Originals. –

Von Murray lange nichts gehört. –

Deine Tiefenmedusen in dem Challenger Report bewundert. –

Viele herzliche Grüße von Haus zu Haus.

In steter Liebe

Dein

Paul Rottenburg

Einliegend einige Marken für Freund Walter. –

a korr. aus: ke; b irrtüml.: Görner

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
15.10.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 20043
ID
20043