Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 21. Dezember 1906
Holmhurst,
Dowanhill Gardens,
Glasgow
21 Dec. 1906
Verehrter Erzieher!
Bewunderter Kämpe!
Liebster Freund!
Dank für Telegramme und Brief nach Berlin. Schön wäre es gewesen wenn Du selbst wie auch Heinrich – wenn Ihr Beide hättet auf der Bildfläche erscheinen koennen – noch schöner wenn ich Euch hätte nach Paris entführen koennen, voir vous n’avez rien à déclarer – sehr französisch – brillant für die Lachmuskeln. Statt dessen hatte ich als Reisebegleitung für die letzten 8 Tage mein altes lumbago, welches nur den türkischen Bädern und der famosen Massage in Paris einigermaßen wich. –
Seit Samstag früh wieder Daheim. In Bonn eine Weihnachtskneipe bei den Preussen mitgemacht – mir neu u. Interessant. – Aber mit seiner sinnlosen Sauferei doch mehr als mittelalterlich. – Dabei fällt mir ein: Hast Du Delbrück Attaque auf Bismarck in den Preuss. Jahrbüchern gelesen – und meines Bruders Erwiederung in der Deutschen Revue. Dieser Mangel an Liebe und Ehrfurcht für den Größesten [!] des 19ten und mehrerer anderer Jahrhunderte ist einfach empörend und infam. – ||
Für Deine Photographie als Erzieher meinen besten Dank – ich habe es mit vielem Vergnügen gelesen – wundere mich das ich Dich nie habe von Deubler sprechen hören. –
Zu Weihnachten Dir u. Deinen Lieben Allen Kindern und Großkindern ebenso viele gute Wünsche als Fischeier in der Caviarsendung – als Tropfen in dem obligaten Cherry Brandy. Bon appetit. –
Ich hätte Dich gerne über Reichstag Centrum Colonial Enthüllungen Wilhelm II etc. – nicht minder über Frankreich’s Vorgehen gegen die Kirche. –
Viele herzliche Grüße von Haus zu Haus
Stets
Dein
Paul Rottenburg