Holmhurst,
Dowanhill Gardens,
Glasgow
9 April 1905.
Liebster Freund!
Besten Dank für Deinen lieben Brief vom 5ten! Wie gerne käme ich nach Berlin und hörte Deinen Vortrag in der Singakademie. Aber!
„Es wär’ so schön gewesen“ etc.
Ich werde auch den diesbezüglichen Bericht hersenden. – Ich habe noch kein Programm für die nächste Zeit. – Tante Ida will mich nach Schoeneck am Vierwaldstätter See mitschleifen, allwo ihr eine Cur (kalt Wasser) vor einigen Jahren mal gut bekommen ist und wo sie mich von || einem chronischen Katarrh heilen will – aber bislang „strike“ ich dagegen – denn ich weiß im Voraus es ist „Mumpitz“! Nun möchte ich aber von Dir wissen welche Zeit Dir am besten paßt für England und Schottland. nach meiner Ehefrau ist der Juni der beste Monat für Schottland. Hättest Du eventuell Lust noch mal ein Stückchen Westküste zu sehen?
Krasser ist bei mir auf dem Comptoir und interessirt sich für Entwicklungslehre. Wie klein doch die Welt. –
Ich möchte gerne herausfinden wie die Frommen mit ihren Kirchenleuten sich den gegenwärtigen Krieg und || diese gräßlichen Rußischen Zustände zurechtlegen! Vielleicht einfach damit daß wir den Willen des persönlichen Gottes ohne dena kein Haar auf unserem Kopfe gekrümmt wird nicht verstehen. – Die Zeitungen sollen einem nur einen schwachen Begriff geben von dem was in Rußland vorgeht. – Und wie soll das enden. Wo? weilt der Erretter! –
Mir wurde ein Zeitungsausschnitt zugesandt laut welchem ich die Veranlaßung zu Wilhelms II. Reise nach Tanger gewesen bin. Was mein maroccanischer Bruder verbrochen hat ist mir unklar. –
Fordere, bitte, den jungen Kassel auf an mich zu schreiben und mir seine Qualification aufzugeben und ich werde sehen was sich machen läßt. Das Schlimme ist das die meisten jungen Deutschen wieder nach Hause zurück gehen – sobald sie anfangen sich nützlich zu machen. – Und bis dahin sind sie meistens mehr im Wege als Hülfe. –
Ever mit besten Grüßen an Röschen und Emma
Dein
Paul Rottenburg
a korr. aus: dessen