Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 5. Oktober 1903

Paul Rottenburg.

ADRESS TELEGRAMS

Rottenburg, Glasgow.

5. October 1903.

Herrn Professor Haeckel

Villa Haeckel

Jena.

Liebster Freund!

Entschuldige, wenn ich Dich an die zwei Exemplare des „Nachworts“ mit Deiner Unterschrift erinnere.

Wie sehr der Autograph geschätzt wird, ersiehst Du aus einliegendem Briefe, welcher Dir, meine ich, Freude machen wird.

Schickst Du das Nachwort direkt an Caesar Eiffe nach Antwerpen, so freut er sich natürlich doppelt darüber, aber ich fürchte, Du wirst in den nächsten Tagen viel Arbeit haben. Mit gleicher Post sende ich Dir einige Jenenser Aufnahmen & bedaure, dass ich Dir in verschiedenen Bildern den Kopf einfach abgeschnitten habe & nur der Rumpf zu sehen ist. Wir müssen unseren herrlichen Spaziergang wiederholen & werde ich dann sorgfältiger zielen.

Mit herzlichen Grüssen an Schwester Roeschen & den Wünschen glücklicher Reise

Stets Dein!

Paul Rottenburg

[Beilage: Caesar Eiffe an Paul Rottenburg, Antwerpen, 2. Oktober 1903]

CAESAR EIFFE

ANVERS, LE 2 Octobre, 1903

RUE PRUYEN, 8

Sehr geehrter Herr Rottenburg!

Verzeihen Sie bitte, dass ich erst heute auf ihre liebenswuerdigen Zeilen vom 18. ult. antworte.

Es war ein pyramidaler Gedanke (Nietzsche wuerde pyramidal-tief gesagt haben) von Ihnen, mir ein von Haeckel eigenhändig unterzeichnetes Exemplar seines Nachworts zu den Weltraethseln von Genanntem zu erwirken, und sie glauben nicht wie dankbar ich Ihnen dafuer bin. Sie haben damit unbewusst einen lange von mir im tiefsten Herzensgrunde gehegten Wunsch erfuellt, naemlich den, eines Wortes von diesem großen Denker, muendlich oder schriftlich, gewuerdigt zu werden, von dem Manne, der seit vielen Jahren bei meinem Versuch, die Weltraethsel auf naturwissenschaftlichem Wege zu durchdringen, a mein Lehrer und Leitstern gewesen b, und dessen Philosophie für mein ganzes geistiges Leben massgebend und in Augenblicken des Zweifels ausschlaggebend geworden ist.

Das klingt fast anmassend aus dem Munde eines winzigen Laien, wie ich es diesen großen Lebensfragen gegenueber bin, es ist aber doch die absolute Wahrheit, und Tausend und abermals Tausende, die Haeckel’s Schriften dasselbe Licht, dieselbe Aufklaerung verdanken, werden sich berechtigt fuehlen, ebenso zu reden. Und das will ja Haeckel auch! Er will ja das Volk aufklaeren, ihm den wahren Weg zum Schoenen und Guten weisen, es frei machen, soweit es eben dieser Freiheit wuerdig, d. h. faehig ist.

Gewiss vor und neben Haeckel finden sich noch viele andere Geister, deren Werke meine Lebens- und Weltanschauung gelenkt haben, indessen Haeckel ist fuer mich quasi die Quintessenz aller epochemachenden Errungenschaften auf diesem Gebiet geworden, und deshalb nenne ich ihn „mein Evangelium“!

Mit Spannung sehe ich dem versprochenen Werke entgegen! Nochmals meinen waermsten Dank, meiner in dieser unerwarteten Weise gedacht zu haben! Eine groessere Freude konnten sie mir nicht bereiten!.

Mit freundschaftlichem Gruss

Ihr ergebener

Caesar Eiffe

a gestr.: auch, b gestr.: ist

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
05.10.1903
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 19932
ID
19932