Focke, Wilhelm Olbers

Wilhelm Olbers Focke an Ernst Haeckel, Bremen, 14. Februar 1914

Dr. W. O. Focke

Bremen

Beim Stein. Kreuz 5

14. Febr. l9l4.

Mein lieber alter Freund!

Also nun sind sie wirklich da, die achtzig! Heute nur wenige Worte des Gedenkens, denn heute wollen die Jüngeren, die in Deiner Nähe sind, ihr Recht ausüben, Dir viel Wahres, Gutes und Schönes zu sagen. Und sagen können sie es gewiß auch viel besser – aber dennoch, eine fast 60jährige Kameradschaft wiegt mehr als Worte, selbst wenn die Lebenswege sich nur selten und für kurze Zeit berührten. An der Hand von vereinzelten alten Briefen und Notizen habe ich in den letzten Tagen an alte Zeiten zurückgedacht und bin immer wieder an das Rückert’sche Wort: „o wie liegt so weit, was nah einst war“ erinnert. Unser alter blinder Krabbe wird gewiß einen Gruß || schicken – aber die andern Genossen der Jugendzeit ubi sunt?

Nun ich hoffe, daß Du Dich kräftig und frisch genug fühlst, ein gutes Maß schwungvoller Reden, begeisterter Trinksprüche und sonstigen Jubelfest-Champagners zu vertragen! – Still und bescheiden kommt von mir zum Schluß der herzlich gemeinte Wunsch hinzu: möge Dir ein schöner, guter Lebensabend beschieden sein!

Eigentlich soll man in unsern Jahren a nichts mehr aufschieben, aber in unserer eindimensionalen Zeit möchte ich zu den vielen schönen Punkten, die den augenblicklichen Ort im Lebenslaufe bezeichnen, nicht noch einen weiteren hinzusetzen. Ist die Hochflut der Punkte abgeebbt, so darf ich vielleicht noch ein wenig vom Einst oder Jetzt mit Dir plaudern.

Den Deinigen, insbesondere Deiner Frau, die besten Glückwünsche und Empfehlungen. Laß Dich nun nach all den bewegten Tagen nur recht schön pflegen.

Es gedenkt Deiner in alter Freundschaft

Dein W. O. Focke.

a gestr.: ,

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
14.02.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1906
ID
1906