Focke, Wilhelm Olbers

Wilhelm Olbers Focke an Ernst Haeckel, Bremen, 15. Mai 1907

Stein. Kreuz 5, Bremen,

15.5.07.

Lieber alter Freund!

Herzlichen Dank für Deine Zeilen vom 10.d. M.! Die Gandria-Begegnung ist nun einmal ein kurzer Lichtblick geblieben, doch giebt mir der Schlusssatz Deines Briefes die Hoffnung, dass sich im Laufe des Sommers wohl eine Gelegenheit zu einem Wiedersehen findet. Es muss nur irgendwo procul negotiis sein. Ich bin – so weit mich nicht meine grosse Familie unvorhergesehener Weise in Anspruch nimmt – vollkommen frei von allen Verpflichtungen und Verabredungen in der ganzen Zeit von Ende Mai bis Anfang September. || Ich würde daher, so weit es sich bis jetzt übersehen lässt, bereit sein, jeder Aufforderung zu einem Stelldichein Folge zu leisten.

Sehr nett hätte eine Zusammenkunft in Kopenhagen werden können, wenn Krabbe in den betreffenden Tagen völlig arbeitsfrei gewesen sein würde. Er ist aber doch einige Jahre älter als wira und wird erst von 2 Uhr Nachm. an aus der Arbeit kommen. Dann bedarf er doch sicher einige Stunden Ruhe. Auch Abends darf man ihn wegen des folgenden Tages nicht überanstrengen. – Immerhin würdest Du ihm durch einen Besuch gewiss eine grosse Freude machen. Er hat eine angenehme isländische Frau; heiter, ruhig und verständig. Wir || haben zu dreien eine dreisprachige Unterhaltung geführt, die nach kurzer Gewöhnung völlig zwanglos und leicht von Statten ging; Krabbe’s sprachen unter einander dänisch, ich mit ihm deutsch, mit ihr englisch; Jeder verstand so viel von der ihm fremden Sprache, dass Uebersetzungen kaum erforderlich waren.

Wenn wir einmal 2 oder 3 Tage ganz zusammen verleben könnten, so würde ich gern nach Kopenhagen kommen; am 29. könnte ich dort sein, allenfalls schon am Abend des 28.Mai. – Unter den obwaltenden Umständen, bei Krabbe’s Beschäftigung, scheint mir das aber, wie alle Halbheiten, verfehlt zu sein. Ich ziehe vor, einen Besuch in Kopenhagen für den Herbst zu versparen, wenn Du mir die Hoffnung eines Zusammen-||treffens im Laufe des Sommers giebst.

Es ist mir wenig wahrscheinlich, dass man Dich in Stockholm so bald ziehen lässt, wenn kein kategorischer Imperativ die Abreise fordert. Vor dem 29. oder 30. wirst Du schwerlich in Kop. sein. – Ich würde, wenn ich in Kopenhagen wäre, noch 2 oder 3 Tage für mich zu Besuchen und Beschäftigungen gebrauchen, so dass ich nicht wohl so schnell, wie Du, zurückreisen könnte.

Deiner Frau wünsche ich von Herzen baldige Herstellung; Dir zu Deiner Nordlandsfahrt vielerlei Freude und Anregung. Bei der Linné-Feier wirst Du sicher viele Interessante Leute finden.

Mit freundschaftlichen Grüssen

Dein

W. O. Focke.

a korr. aus: wird

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
15.05.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1888
ID
1888