Focke, Wilhelm Olbers

Wilhelm Olbers Focke an Ernst Haeckel, Bremen, 5. Oktober 1868

Bremen, 5 Octob. 1868.

Mein lieber Freund!

Meinen herzlichsten Glückwunsch zu Deiner neuen Vaterwürde! Es ist auch Zeit, daß die Erhaltung des Stammbaumes der Häckel gesichert werde, denn was sollte aus der Welt im künftigen Jahrhundert werden, wenn bis dahin nicht schon ein Sprößling in die Fußtapfen des Vaters treten könnte! Sieh Dir nur das kleine Gesichtchen genau darauf an, ob es nicht vielleicht schon einst manche große Wahrheit klar erkannt haben wird, nach welcher wir noch forschend suchen. – Nun möge der Junge wohl gedeihen und seinen Eltern Freude machen! Solch ein kleines Wesen wächst schnell heran; mein Luischen hat das Babythum schon längst abgestreift, läuft sehr selbständig in der Welt herum und hält Reden, die wenigstens für Eingeweihte wohl verständlich || sind. Freund Dreier hat vor zwei Monaten schon die Nro. 2 erhalten, und Strube hofft, unter uns gesagt, in einigen Wochen Deinem Beispiel zu folgen.

Von Deiner diesjährigen, anscheinend zu früh abgebrochenen Reise erzählst Du mir freilich Nichts, doch ist dies durch die Größe des Augenblicks allerdings sehr erklärlich. Meinen Lebenslauf im letzten Sommer will ich Dir kurz schildern. Im April ging ich mit einer verwandten Familie an den Genfer See. So viel Schönes der dortige Aufenthalt auch bot, so empfand ich doch schmerzlich, daß ich noch etwas flügellahm war und nicht mehr so marschiren konnte wie sonst. Pläne auf weitere Excursionen wurden mir durchkreuzt, indem ich nach einigen Wochen mich genöthigt sah, die Regulirung einer sehr unangenehmen Angelegenheit in die Hand zu nehmen, welche mir viel Arbeit, Sorge und Correspondenz auferlegte, so daß diese Zeit eigentlich Nichts weniger als eine Erholung für mich war. Doch Ende gut, Alles gut – zuletzt, um Mitte Juni, reiste mir meine Frau ent-||gegen und wir verlebten noch ein paar sehr angenehme Wochen in der Schweiz. Im Juli war ich wieder für einige Wochen hier in Bremen, zog dann aber im August nach der nahen Badeinsel Spiekeroog in der Nordsee, wohin ich Frau und Kind mitnehmen konnte. Seit Ende August bin ich nun wieder hier nach einem in dolce far niente verlebten Sommer.

Im September hatte ich hier einen Besuch von R. Hartmann, der mit seiner Mutter von Borkum zurückkehrte. Wenn die Eisenbahn nach Ostfriesland, die im nächsten Jahre eröffnet wird, schon fertig gewesen wäre, würde ich auch wohl nach Borkum statt nach Spiekeroog gegangen sein, obgleich es mir auf letzterer Insel recht gut gefallen hat und ich eine ganze Reihe Verwandter und Freunde dahin nachzog.

Nachdem ich mich so den Sommer über in der Welt herumgetrieben habe, fühle ich mich allerdings wesentlich gekräftigt, wenn auch allerdings noch nicht Alles so geht, wie es gehen sollte. Ich werde jedenfalls alle Art von Arbeit noch etwas langsam angehen lassen müssen. Nächstens werde ich Dir übrigens einen Aufsatz für die Jen. Zeitschr. schicken, doch weiß ich noch nicht, welches Thema ich zuerst angreife.

Mein jüngster Bruder ist vor einigen Tagen nach || Jena gereist, um dort sein Militärjahr abzudienen. Mit seinen Sachen will ich Dir Deine berühmte Feldflasche zurücksenden, die Dich schon auf so vielen Wanderungen begleitet hat. Mein Bruder betrachtet Dich wie jeden Professor natürlich als Philister, und würde nur pflichtmäßig zu Dir gehen, wenn ich ihn direct an Dich dirigirte. Ich habe dies daher unterlassen; vielleicht bekommt er dann von selbst Lust. Er ist Jurist, interessiert sich aber für naturwissenschaftliche Gegenstände aller Art, speciell für Darwin u.s.w. Da nicht viel Jurisprudenz in Jena zu holen sein soll, so kommt er vielleicht einmal zur Erholung zu Dir, wenn die ersten Lasten des Militärdienstes überwunden sind.

Nun möge Dir Dein Junge viel Freude machen, in der Gegenwart wie dereinst in alten Tagen! Zunächst wünsche ich Deiner lieben Frau ferneres Wohlbefinden und dem Kinde kräftiges Gedeihen. Nun lebe wohl, es denkt Deiner in

alter Freundschaft

Dein W. O. Focke.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
05.10.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1844
ID
1844