Focke, Wilhelm Olbers

Wilhelm Olbers Focke an Ernst Haeckel, Gut Hodenberg zu Oberneuland, 3. Juli 1860

Gut Hodenberg zu Oberneuland

bei Bremen d. 3 Juli 1860.

Lieber Freund!

Mit Recht hast Du vielleicht schon längst einige Zeilen von mir erwartet. Seit dem Empfang Deines großen Reiseberichtes sind nun schon einige Wochen verstrichen, und Du hast Dir durch dieses Werk die entschiedensten Anrechte auf einen baldigen und herzlichen Dank erworben. Ich habe bei Durchlesung dieses Berichtes Nichts bedauert, als daß ich ihn nicht behalten und mich noch öfter daran erfreuen konnte. Nichtsdestoweniger muß ich indeß diesen praktischen Ausweg billigen, durch welchen Du allen Deinen Freunden etwas reelles mitgetheilt hast, während sonst jedem Einzelnen nur kleine Bruchstücke hätten zufallen können; vermuthlich hast Du diese Methode zu correspondiren von Allmers gelernt. Uebrigens war Deine Schilderung nicht bloß für Deine Freunde von persönlichem Interesse, sondern sie war auch für Fernerstehende höchst anziehend und habe ich hier für einige Abende mit höchstem Beifall aus Deinem Briefe vorgelesen. Meine eigene || Sehnsucht nach dem Süden ist dadurch wieder auf das Lebhafteste angeregt worden; ich denke seitdem wieder daran als Schiffsarzt nach Australien zu gehen, wozu ich aber doch wol kaum kommen dürfte. Zu den glänzenden Ergebnissen Deiner Reise wünsche ich Dir von Herzen Glück, und hoffe daß der Erfolg Deiner zoologischen Arbeiten Dir rasch zu Amt, Würden und Moneten verhelfen werde. – Dein Hermann Allmers ist hier, in seiner engeren Heimath, eine ziemlich bekannte und allgemein geschätzte Persönlichkeit; Deine begeisterte Schilderung hat in mir natürlich den Wunsch rege gemacht ihn kennen zu lernen, allein dies wird schwerlich möglich sein, so lange ich nicht in Bremen selbst wohne, da es mir von hier aus schon schwer wird mir den Umgang mit einigen Freunden in Bremen zu erhalten.

Das wäre in gedrängtester Kürze meine Antwort auf Deinen Reisebrief, die ich, damit sie nicht zu weitläufig würde, nun künstlich recht eng zusammengepreßt habe. Und doch habe ich Dir sonst sehr we-||nig zu erzählen, da ich hier jetzt wie schon seit 14 Monaten, ruhig und ziemlich behaglich fortvegetire und da sich keine großen Veränderungen in meinem Lebensgange einzustellen pflegen.

Es wird nun auch, wie ich denke, noch einige Monate, vielleicht den ganzen Winter über, so fortgehen; vorläufig wenigstens kann ich weder an Besuche in Berlin noch an anderweitige Reisen im Ernst denken. Jetzt, bei Eintritt der gesunden Jahreszeit für hiesige Gegend, muß ich mir irgend eine Arbeit aussuchen, da meine Praxis mich während der Herbstmonate schwerlich genügend beschäftigen wird. Ich errichte mir nun ein kleines chemisches Laboratorium zu diesem Zwecke.

Kottmeier und Dreier jetzt beide praktische Aerzte in Bremen, lassen Dich freundlichst grüßen, Strube, den vielbeschäftigten, habe ich in letzter Zeit sehr selten oder eigentlich gar nicht gesehen. || Um nicht die Absendung dieser flüchtigen Zeilen noch mehr zu verzögern, will ich lieber schließen und sie heute Nachmittag in Bremen selbst auf die Post bringen. Also habe noch einmal herzlichen Dank für Deinen Reisebericht und nimm meinen Glückwunsch zu dem glänzendena Erfolge Deinesb Wanderjahres freundlichst entgegen. Schließlich erlaube ich mir noch die begründete Hoffnung auszusprechen, daß das gegenwärtige Jahr für Dich ein ebenso genußreiches, wenn auch vielleicht weniger merkwürdiges und ereignisvolles wie das vorige werden möge.

In alter Freundschaft

Dein W. O. Focke.

a korr. aus: gkückl; b korr. aus: Deiner

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
03.07.1860
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1832
ID
1832