Alexander Tille an Ernst Haeckel, Glasgow, 22. November 1895
1 Strathmore Gardens,
Hillhead,
Glasgow,
22.11.95.
Hochverehrter Herr Professor!
Meinen herzlichsten Dank für Ihren liebenswürdigen Brief und die schönen Bücher. Ich werde immer stolz darauf sein, sie von Ihnen selbst bekommen zu haben.
Wenn Sie inliegende kleine Drucksache noch nicht gesehen haben, wird es Sie gewiß interessieren, was der Wortführer der Positivisten in Manchester über den Monismus zu sagen hat.
Nächste Woche bekommen Sie den ersten Band „Monistische Lyrik“, gewiß ein seltsames Werk. Es ist eine Sammlung „deutsche Lyrik von heute und morgen“ mit einer literaturgeschichtlich-weltanschauungsgeschichtlichen Einleitung, herausgegeben von mir und || zugleich in deutscher, englischer, amerikanischer und französischer Ausgabe erscheinend. Der letzte Abschnitt „Modernes Denken“ enthält größtenteils monistische Logik.
Ich hatte den Ausfall der Wahl der Philosophischen Fakultät in Jena kaum anders erwartet, obgleich ich sehr gern nach Deutschland zurückkäme. Es ist eine verschwindende Seltenheit, daß jemand aus dem Auslande heimberufen wird. Victor Michels ist übrigens wirklich ein tüchtiger Germanist. Ich bin mit ihm noch in Leipzig zusammen in Zarniks Seminar gewesen, obgleich er etwas älter ist als ich. Wenn er Sie besucht, so grüßen Sie ihn, bitte, von mir. Er ist ein Schüler von Brugmann; Brugmann und Delbrück sind nahe befreundet, so wird dadurch die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt worden sein, aber die Wahl ist sicherlich keine schlechte.
Hoffentlich ist Ihr Fuß nunmehr wieder ganz in Ordnung und weigert sich nicht mehr, seinen gewohnten Dienst zu tun. ||
Mich beschäftigt augenblicklich die Herausgabe der englischen Übersetzung von Nietzsches Werken ganz, ich hoffe aber nach Weihnachten dazu zu kommen, die Geschichte der Beeinflussung der Sozialwissenschaft durch die Entwicklungslehre zuende zu führen, die mich seit längerer Zeit beschäftigt. In der Einleitung zu Von Darwin bis Nietzsche habe ich unter dem Namen „Wirtschaftslehre des Volksstandes“ darauf hingewiesen, aber Volksstandwirtschaft ist ein besseres Wort dafür.
Mit den herzlichsten Wünschen für die Kräftigung Ihres Fußes und in aufrichtiger Verehrung
Ihr
ergebenster
Dr. Alexander Tille.