Gratz Samstag 29. October 70
Lieber Freund
Die ihn Ihrem gestrigen Briefe eröffnete Aussicht, Sie im Frühjahr in Gratz begrüssen zu können, muthet mich sehr an. Würden Sie später, etwa Ende April reisen, so schlösse ich mich wohl an nach Dalmatien; früher scheue ich das schlechte Meer. Uebrigens treffen Sie in Triest um diese Zeit die Kalkschwämme nicht an, wenigstens nicht in der nöthigen Fülle. Diese ergiebt sich erst, wenn die Badeanstalten einige Zeit in Hafenwasser gelegen haben. Lesina giebt Ihnen aber an den Felsen am Kloster, wo Sie bei sehr bescheidenen Ansprüchen von meiner Freunde dem Atheisten Pater Bona Grazia aufgenommen werden, eine unerschöpfliche Fülle.
Wie steht es denn mit Ihrer Berufung nach Wien? Ich bin zwar auch in der Ferne, kann aber mit der grössten Unbefangenheit darüber schreiben, weil mir an einer Versetzung nach Wien gar nichts liegt und ich mich, ehe ich irgend etwas von der Einbeziehung Ihrer Person in die Combination a wusste, im Ministerium ähnlich ausgesprochen habe. Vielleicht sind Ihnen einige Notizen nicht unangenehm. Schmarda hat mit allen Kräften für Aufrechthaltung seines Privilegiums gekämpft, die Collegiengelder allein || einzustreichen. Nichts desto weniger bestand die Commission auf einem Vorschlag. Im Professorencollegium sind aber alle Vorschläge samt Akordements mit 1 Stimme Majorität abgelehnt. Diese waren: 1) Terna Stein, Schmidt, Haeckel. 2) Stein, Schmidt, Haeckel mit dem Ersuchen, für Haeckel, falls Stein oder Schmidt ernannt würden, eine eigne Professur extra zu gründen 3) Haeckel, Schmidt, Stein. (Alphabetisch zur Auswahl)b In der Commission sind Sie, wie Sie wohl wissen, besonders durch den Mineralogen Tschermak oben angestellt worden, während Roux und Suess für Stein streiten, den ledernen Patron. meine Freunde, Scherer etc., wünschen vor allem Sie, und ich würde mich ungemein freun, wenn wir in dem österreichischen Chaos uns nahe kämen.
Man hat mir von Facultätswegen die gesammten Acten dem Unterrichtsministerium zugestellt und dort ruhen sie vorläufig. Wenn bis zum Frühjahr keine Entscheidung getroffen, würde ich Ihnen, falls Sie nach Wien wollen, den Rath geben, sich mit Berufung auf den Vorschlag dem Minister – wer weiss, welcher Esel es dann sein wird! – vorzustellen. Mit dem jetzigen, meinem Dutzbruder Stremayr, einem recht angenehmen Menschen, bin ich in offene Fehde gerathen. Sie würden mit ihm sehr gut verkehren können. Wenn Sie irgend welche Aufschlüsse wollen, wenden Sie sich getrost an mich. Mit mir und Wien steht es einfach so: Ohne eine || sehr bedeutende sichere Verbesserung des Einkommens gehe ich von hier nicht fort und auch dann würden wir es nur mit grösstem Widerstreben thun. Ich gönne also die Wiener Zoologie einem Jeden, der der Stelle würdig ist, vor Allem Ihnen.
Alle Ihre Zusendungen habe ich erhalten und mich ihrer gefreut. Ihre Schöpfungsgeschichte schlägt durch. Mit den Bathybius und den Coccolithen haben Sie mir einen kleinen Streich gespielt. Ich weiss nicht, ob Ihnen meine Notiz darüber im Ausland zu Gesicht gekommen, kurz, ich erhielt Ihren Aufsatz als ich eben meine Studien an adriatischen Korallen vorläufig abgeschlossen hatte. Ich werde dennoch bald eine kleine Publication vornehmen, worin zwar wesentlich Neues natürlich nicht enthalten, aber doch die nach meiner Beobachtung vorhandene Identität von Discolithen u. Cystolithen betont werden wird. Coccosphären habe ich im adriatischen Schlamme nicht gesehen.
Grüssen Sie Ihre Frau und Gegenbaur und Schultze.
Ihr
Oscar Schmidt ||
Ich schiebe noch ein Blättchen ein.
Weyville Thomson schrieb mir neulich, dass er hoffe, Allmans Nachfolger in Edinburg zu werden und bat mich, was mich etwas überraschte, meine Meinung über seine Befähigung für diese Stelle auszusprechen. Es schien mir ein ostensibler Brief zur Beförderung seiner Candidaten sein zu sollen, und ich habe nicht gezögert, ihm diesen Gefallen zu thun. Dann schreibt er:
„Prof. E. Haeckel is I believe a colleague of yours. If he has seen any of my small contribution of zoology with approval, I should be very glad of a couple of lines from him. I heard from G. Jeffreys that he wished all the calcareous sponges possible. I have got ? any as yet, but I expect some remarkable ones now.
(Strandtown – Belfast)
a gestr.: etwas; b eingef.: (Alphabetisch zur Auswahl)