Max Verworn an Ernst Haeckel, Göttingen, 15. Februar 1909
Göttingen 15.II.09.
Hochverehrter Herr Professor!
In der Hoffnung, dass an Ihrem 75ten Geburtstage in Jena von Ihren alten Schülern eine besondere Ehrung für Sie veranstaltet werden würde, hatte ich die Absicht, am Dienstag nach Jena zu kommen um Ihnen persönlich meine Glückwünsche zu überbringen. Nun habe ich zu meiner grossen Enttäuschung auf meine Anfrage von meinen Jenenser Freunden erfahren, dass keinerlei Feier geplant ist, da Sie jedenfalls an dem Tage nicht in Jena sein werden. Ich muss || wirklich sagen, dass das eine grosse Enttäuschung für mich gewesen ist, denn ich habe nach all den hässlichen Kränkungen, die Ihnen in letzter Zeit von den perfiden Brüdern des Keplerbundes widerfahren sind, ein ganz besonderes Bedürfnis gefühlt, Ihnen zu zeigen, dass ihre alten Schüler mit alter Treue an Ihnen hängen und ich hatte gehofft, dass wir diese niederträchtigen Kränkungen ein wenig compensieren könnten, wenn wir Ihnen zeigten, mit welcher Dankbarkeit wir auf alles das zurückblicken, was Sie, unser herzlich geliebter und verehrter Lehrer uns gegeben haben. Ich versichere, || dass es mich selten so mächtig getrieben hat zu Ihnen zu eilen und Ihnen die Hand zu schütteln, als im jetzigen Augenblick. Dass das nun nicht sein soll, betrübt mich herzlich. Aber ich möchte doch wenigstens, auch wenn Sie nicht am 16ten in Jena sein sollten, das was mein Herz bewegt, auf diesem Wege Ihnen zum Ausdruck zu bringen versuchen und ich hoffe, dass die Dankbarkeit und Liebe, die Ihnen ein alter Schüler in treuer Erinnerung an die schönste Zeit seines Lebens ausdrücken möchte, so wie sie vom Herzen kommt, auch wieder zum Herzen geht. Möchten wir die Freude haben, Sie auch im kommenden Vierteljahrhundert Ihres reichen Lebens, immer so frisch und begeistert für alles || Wahre, Gute und Schöne unter uns zu sehen wie in dem vergangenen Dreivierteljahrhundert und möchten Sie in diesem kommenden Zeitabschnitt vor allem die Freude haben, Ihre nächste Aufgabe, die Einrichtung des phylogenetischen Museums, glücklich und glänzend zu Ende zu führen!
Das wünscht Ihnen in alter Dankbarkeit
Ihr getreuer Schüler
Max Verworn.