Verworn, Max

Max Verworn an Ernst Haeckel, Jena, 16. Februar 1897

Jena 16. Febr. 97.

Hochverehrter Herr Professor!

Wenn Ihnen in Ihrer sonnigen, warmen Umgebung, unter freundlich lachendem Himmel ein Gruss aus dem kalten winterlichen Norden nicht zu eisig erscheint, so bitte ich Sie zum heutigen Tage meine herzlichsten Glückwünsche anzunehmen, deren Temperatur ich nicht nach dem Klima der Umgebung zu taxieren bitte. Auch meine Frau schliesst sich mir mit herzlichsten Wünschen und Grüssen an. ||

Heute ist grade zur Feier Ihres und Melanchthons Geburtstages ein sogenannter schöner Tag, d. h. der Himmel ist nicht ganz so grau wie in den letzten Wochen und lässt ein bischen Sonnenschein zum Vorschein kommen, grade genug, um in dieser Zeit, wo einen der Wandertrieb so wie so schon packt, einem die Sehnsucht nach dem sonnigen Süden noch stärker zu machen. Wie wir Sie hier alle beneiden!

Dass Fürbringer noch immer nicht das Zimmer verlassen kann, werden Sie wohl || wissen, und wie es aussehen wird, wenn heute zu Ehren des „Praeceptor Germaniae“ die praeceptores der alma mater Jenensis sich durch einen feierlichen Zug im Frack vor der Jenenser spottlustigen Bevölkerung a lächerlich machen werden, können Sie sich nach früheren Praecedenzfällen ebenfalls ausmalen. Sonst giebt es aus Jena nichts Neues.

Du Bois Lehrstuhl ist immer noch nicht besetzt. Nachdem Kühne abgelehnt hat und Kries, wie es scheint ebenfalls, müsste eigentlich Munk gefragt werden, aber die Wege der Regierung sind unerforschlich || und krumm. Dass für mich durch die Verschiebungen auch nur das geringste herauskommt, glaube ich nicht. Einen Ketzer will man nicht unter der Zunft der Physiologen haben, und was ich treibe, ist ja, wie es allgemein heisst, garkeine Physiologie. Ich weiss nicht, ob Sie so freundlich waren, mich Harden für die Zukunft zu empfehlen. Ich bekam neulich eine Anfrage von ihm, ob ich nicht einen Nachruf auf Du Bois für die Zukunft schreiben wollte, er wäre von meinen Freunden auf mich aufmerksam gemacht worden. Da ich aber nicht den Beruf in mir fühlte, Du Bois zu verherrlichen, habe ich abgelehnt, was mir Harden übelgenommen zu haben scheint.

Nun aber recht viel Glück und Vergnügen in Messina. Es hoffen Sie im Mai recht munter und fröhlich in Jena wiederzusehen

Ihre treuen Verworns.b

a gestr.: [xxx]; b Text weiter am oberen Rand von S. 4: Nun … Verworns.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.02.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 17426
ID
17426