Franz Eilhard Schulze an Ernst Haeckel, Berlin, 23. Juli 1894
BERLIN N., INVALIDENSTR. 43.
d. 23. Juli 94.
Lieber College!
Als mir heute Freund Martens in Ihrem Auftrage Ihr wohlgetroffenes Bild und den Bericht über die schöne Feier Ihres sechzigjährigen Geburtstages brachte, habe ich mich herzlich gefreut – zunächst || über das, was Sie mir schicken, dann aber auch, und zwar noch mehr darüber, daß Sie es mir schicken.
Sie haben auf mich und mein Lebensschicksal, besonders aber auf meine wissenschaftliche Überzeugung und ganze Richtung tiefer eingewirkt als Sie selbst wissen – zuerst in der Mitte der sechziger Jahre durch Ihre generelle Morphologie, welche ich als junger Privatdozent nicht weniger als dreimal, ich kann kaum sagen durchgelesen – sondern || gradezu durchstudiert habe.
Der vollen Zustimmung zu den dort niedergelegten Grundideen sind Sie jetzt noch bei mir sicher, wenn ja auch manches eine andere Gestalt und andere Fassung angenommen hat. Was mich in der generellen Morphologie so ungemein fesselte, war vornemlich die scharf systematische Gliederung des Ganzen, welche ich noch heute bewundere. Überhaupt haben Sie mir immer am meisten als Systematiker imponiert. Wenn Sie || dann später hin und wieder in Graz auf der Durchreise bei mir einsprachen, so war das ein Freudenfest für mich; und dies ist noch jetzt so geblieben, so oft Sie bei mir eintreten.
Ihrem geflügelten Worte von den großen und den kleinen Instituten stimme ich bei. Ist es doch natürlich genug zu erklären. Ich tröste mich damit, daß es doch auch große Institute geben muß, und daß doch auch diese einen Direktor haben müssen.
Sie oder vielmehr Ihr Bild wird nun in meinem Arbeitszimmer zwischen Harvey und Darwin über meinem || Schreibpulte hängen.
In Verehrung
Ihr F. E. Schulzea
a Text weiter am linken Rand von S. 4: Schreibpulte … Schulze