Weiß, Ernst

Ernst Weiß an Ernst Haeckel, Halle, 10. August 1854

Halle 10/8 54.

Mein lieber alter guter Häckel!

Hab großen Dank für Deinen Brief, durch den Du mich, sowie die übrigen 2 Blätter des Kleeblattesa sehr erfreut hast. Ich glaubte beinahe schon, Du hättest – nicht mich, aber den der Botanik Abtrünnigen ganz vergessen. Nun um so besser ist es für mich, zu hören, daß Du mit der Botanik nicht viel anders stehst als ich gegenwärtig. Zwar so schlimm wie bei mir kann’s nicht sein, und bei mir hat es hauptsächlich einen Grund, weshalb ich der Botanik (zu Zeiten) förmlich entsage: das ist, weil ich kein Mikroskop habe, auch keine Aussicht, je eins zu erwerben oder zu erhalten. Fehlte dies nicht, so würde ich diesen Sommer viel mikroskopirt haben, ganz natürlich, denn man strebt doch mindestens einmal sich auf den Standpunkt der Wissenschaft zu stellen, die man mit Liebe getrieben hat. Diese Unmöglichkeit hat mir manche trübe Stunden gemacht. Daher auch sage ich mich, vorläufig, von der Botanik los; vielleicht, daß sie später noch einmal blühe. –

Sonst bin ich hier leichtsinnig, bummle zum Erschrecken, gelernt ist wenig worden; nun nur der Winter wird || ja mehr bringen, hoffe ich. Wie Du, bin auch ich herzlich froh, daß das Semester zu Ende ist; eine wahre Last von Collegien war ja das geworden. Von früh 7 Uhr bis Mittag 11 stets, dann auch stets von 12–1, bisweilen sogar von 7–1 Uhr Colleg; und dann noch von 2–3, bisweilen auch von 3–4. – Was sollte man da aber auch noch außerdem thun! Das nächste Semester werde ich wenig annehmen; doch kenne ich noch keinen Plan. –

Nun was das beliebte Thema „über Reisen“ betrifft, so ließe sich da Vieles schreiben; die Hauptsache wirst Du durch meinen Onkel erfahren können, u. ich erspare so Zeit; denn ich stehe auf dem Sprung nach dem Laboratorium, wo ich Ömülüum [!] zu helfen versprochen habe. – Botanisiren werde ich im Harz nicht. Du vermuthest dagegen: geologisiren? – Es mag wohl unverschämt klingen, wenn Einer, der kaum in solche Wissenschaft hineingeraten ist, schon von geognostischen Untersuchungen reden will. Ich thue es deshalb auch nicht, nämlich das Reden. Ich werde re vera nur im Harz Repetitionen anstellen.

Deine Reise nach Helgoland könnteb allerdings wohl zu || beneiden sein; indes wenn ich nicht ein Mensch wäre, der halt gar nichts von Zoologie, so gut wie nichts von Botanik versteht und niemals es darin zu irgend Etwas wird bringen können, so beneide ich Dich, genau überlegt, gar nicht, sondern mich selber um meine Harzreise, die mir so viel nützen könnte, wenn ich mich schon ein paar Jahre mit Geologie etc. abgegeben hätte. Du fragst, ob das „Kleeblatt“ zusammen reise? Hoffentlich kommt Hetzer mit, Weber nicht, weil er keine genügende Unterstützung erhalten hat. Der arme Mann freute sich so darauf. Wenn ich keine Schulden hätte, so würde ich ihm borgen. Du siehst, man hat Fortschritte gemacht! – Übrigens sind diese bis jetzt noch nicht schlimm.

Doch ich werde schließen müssen, begnüge Dich einstweilen mit diesen wenigen Zeilen, bald denke ich Dir mehr zu schreiben, d. h. vielleicht noch Mitte des September. Jetzt habe ich schrecklich wenig Zeit; ebenso geht es Emil und Weber, die Beide gern schreiben würden.

Nun auf eine Weile Adieu! Es grüßt

Dein treuer

Weiß. ||

In wenig Tagen kommt mehr an Ernst Haeckel, theilweise schon Angefangenes.

(Anmerkung des Setzers [!]).c

a am Briefkopf Zeichnung eines Kleeblattes mit Inschrift: H W H W (aufzulösen: Ernst Haeckel, Ernst Weiß, Wilhelm Hetzer, Victor Weber); b gestr.: ist; eingef.: könnte; c Text auf der Adressseite der Kuvertfaltung: In wenig … d. Setzers)

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.08.1854
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 16635
ID
16635