Weiß, Luise

Luise Weiß an Ernst Haeckel, Berlin, 3. Juni 1865

Berlin den 3. Juni 1865.

Mein liebster bester Freund!

Nur einige Zeilen des innigsten Dankes für Ihren lieben Brief, will und kann ich unserm guten Martens an Sie mitgeben. Sie machen mir durch jedes Vertrauen bezeigende Wort grosse Freude, weil ich auf der Welt nichts weiter habe, als die Zuneigung einiger Freunde und Verwandte; und die Wahrhaftigkeit der ihrigen, ist in meinem Herzen so über allen Zweifel erhaben, weil Sie sicher wissen wie innig, wie aufrichtig ich Ihre Anna liebte, wie vollkommen ich sie zu schätzen wusste, dass in ihr und durch sie, die aufrichtige Freundschaft zwischen uns, gewiß unveränderlich erhalten bleibt.

In Jena kann ich sie dieses Jahr nicht wiedersehen; aber ich danke Ihnen sehr für Ihre freundliche Aufforderung Sie zu besuchen; es ist mir aber lieb, dass ein so guter treuer Freund wie Martens, auf einige Tage zu Ihnen geht. Auch unser Ernst W. würde Sie sehr gern wiedersehen, wenn auch nur kurz, aber er hat keine Zeit genug, seine wissenschaftlichen || Zwecke hier in Berlin zu erreichen, um derentwillen er die Reise hauptsächlich unternommen, und wird von der gehofften Tour schon einiges aufgeben müssen, so dass er fast mit Sicherheit voraus sieht, nur eilig er zurückreisen muss, ohne den Abstecher von Apolda zu machen; er dankt Ihnen herzlich und grüsst durch mich aufs allerbeste. a mit seiner Gesundheit gehts – leidlich. Am vorigen Sonnabend kam er hier an, war nur einen Tag bei seinem Bruder Karl in Schkeuditz gewesen und in diesen 8 T. die er nun hier ist, hat er die ganze Tageszeit im Mineralien Kabinet zugebracht; die Feiertage bleibt er noch hier, geht aber wahrscheinlich Dienstag oder Mittwoch fort. Ich reise mit Elly am Freitag d. 9. direct nach Teplitz, und halte mich blos bei der Rückreise ein paar Tage in Dresden (Lokwitz) auf. In der ersten Juliwoche komme ich hierher zurück und es ist wahrscheinlich, dass ich erst im August nach Eger (Schkeuditz pp.) gehe. Mehr Pläne mache ich jetzt nicht; ich fürchte, der Teplitzer Aufenthalt beweisst mir, dass ich überhaupt nun zu alt für Alles Herumreisen geworden bin; ich fühle mich jetzt bei jeder kleinen Unternehmung ermüdet und erschöpft, wo etwas körperliche Kraft dazu nöthig ist. Möge das Geistige nicht allzu rasch sinken! Inhaltsvoller Briefwechsel ist mir jetzt das liebste. Deshalb hat mir in den letzten Wochen der lebhafte briefliche Verkehr mit Freund Barth viel Freude und Genuss gewährt; ich habe || 4 Briefe von ihm aus Cannstadt, und warte jetzt seit mehrern Tagen schon auf einen neuen; seit vorigen Sonntag schon, wollte er in Urach seyn und sich dort etwas aufhalten; er ist sehr befriedigt, sowohl von seiner Kur, als von Würtenberg überhaupt. In Stuttgardt hat er in der naturforschenden Gesellschaft einen Vortrag gehalten und seitdem ist er in Verkehr mit den dortigen Gelehrten und wie es scheint lebhaft genug, da er schreibt: „ein ganzer Schwarm (Gelehrter) will mich am Sonntag nach Urach geleiten und in der dortigen interessanten Gegend herum führen pp b Ehrenbergs sind seit Mittwoch dort.“ Er hofft, Ihnen solche Nachrichten geben zu können, dass es möglich würde, dass Sie sich mit ihm im Herbst treffen.

Ihre Eltern sind nun in Landsberg! auf 4 Wochen dann wünscht Ihre Mutter 14 T. hier zu bleiben und dann – ? zu Ihnen, sagt die Mutter; nach Teplitz sagte der Vater; (am Dienstag, als ich mit Ernst dort aß.) Ihre Mutter wurde aber ganz böse darüber; ich bin nun recht begierig, ob Mutter, wie immer, Recht behält, es wäre nett wenn sie nach Teplitz kämen, während ich noch dort bin! – Gestern Abend ist unsre Anna von Freienwalde gekommen auf einige Tage. – Ich war gestern ein paar Stunden bei unsren guten Brauns; es sind doch ganz vortreffliche Menschen! Martens wird Ihnen Manches erzählen können, Braun’s betreffend. Ich muss schliessen, um das Blatt noch an Martens zu schicken und grüsse Sie so herzlich wie immer!

Ihre alte getreue

L. Weiss.||

An

Herrn Professor

Dr. Ernst Häckel

Jena.

d. g. H.

a am Rand von S. 2 eingef.: mit seiner Gesundheit gehts – leidlich.; b am Rand v. S. 3 eingef.: Ehrenbergs sind seit Mittwoch dort.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
03.06.1865
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16607
ID
16607