Schulze, Franz Eilhard

Franz Eilhard Schulze an Ernst Haeckel, Graz, 28. Oktober 1877

Graz d. 28. Oktober 1877.

Hochgeehrter Herr College!

Ihr freundlicher Brief mit dem großartigen und für mich sehr ehrenvollen Anerbieten, Ihre bedeutende Spongiensammlung mir zur wissenschaftlichen Benutzung zu überlassen, hat mich umso mehr erfreut, als ich darin eine Anerkennung meines Strebens erblicke, wie ich sie mir nicht schöner wünschen kann. Zwar können meine Publikationen nach der Art meines Arbeitens nur langsam und bruchstückweise erfolgen, doch habe ich die feste Absicht, die Untersuchung sämmtlicher Spongienfamilien – wenigstens der Adria – in dem Sinne durchzuführen, wie ich sie begonnen habe. || Ich nehme daher Ihre gütige Offerte mit herzlichem Dank an, und hoffe, daß Sie dieselbe nicht zu bereuen haben werden.

Am Liebsten käme ich nun gleich zu Ihnen, um Ihnen persönlich zu danken und das mir zunächst Wünschenswerthe Ihrer Sammlung zu bezeichnen. Da dies nun leider augenblicklich nicht möglich ist, so erlaube ich mir die Frage, ob ich jetzt einstweilen die Hornspongien (exclusive Aplysina aërophoba, welche ich schon bearbeitet habe) bekommen kann. Wollen Sie mir zur Vergleichung einige dickwandige und leicht schneidbare Leuconen beilegen, so werde ich doppelt dankbar sein. Die Leuconenformen, welche ich von Lesina mitgebracht habe, sind sämmtlich schlecht zu schneiden.

Die Gastrula von Euspongia habe ich noch nicht gesehen, werde auch nicht sogleich zum Badeschwamm || kommen, sondern erst die Gattung Spongelia absolviren. Dieselbe unterscheidet sich von den übrigen Hornschwämmen erheblich und schließt sich an Halisarea Dujardini und meine neue Gattung Aplysilla an.

Für die Übersendung Ihrer ergreifenden Reiseschilderung und der Münchener Rede danke ich bestens. Die Lektüre der letzteren gewährte mir einen ähnlichen Genuß wie die Lektüre eines unserer Classiker, insofern ich immer die Empfindung hatte, als hätte ich Ähnliches selbst schon hin und wieder gedacht, nur nicht so treffend und correct auszudrücken vermocht. In den wesentlichen Punkten stimme ich mit Ihnen vollständig überein.

Mit herzlichem Gruße

Ihr dankbar und

aufrichtig ergebener College

Franz Eilhard Schulze ||

Leider habe ich keine Charybdea oder Rhizostomide. Wenn Sie Chrysaora hysoscella in Müllerscher Lösung oder in Alkohol Cyanea capillata in Chromsäure und Alkohol erhärtet, oder vielleicht Aurelia aurita in verschiedenen Größen brauchen können, so stehen Ihnen diese sowie eine Anzahl gut conservirte craspedoter Medusen, wie Zygodactyla, Thamnantias, Oceania, Sarsia etc. zur Disposition.

d. O.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
28.10.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16585
ID
16585