Schultze, Max

Max Schultze an Ernst Haeckel, Bonn, 15. Februar 1863

Bonn d. 15tn Februara 63.

Mein lieber Haeckel!

Ihr Brief und Bild, die mich beide sehr erfreuten, mahnen mich zur Antwort, die ich heute einem Briefe an Zeiss einlege. Eine Sammlung von Renilla etc folgt in einiger Zeit, ich bin zum Schluß des Semesters zu rasend beschäftigt, als daß ich das Aufschiebbare nicht lieber bis zu den Ferien versparte, so müssen Sie auch heute mit kurzem Gruß vorlieb nehmen. Ihr Brief hat mich ungemein interessirt sowohl bezüglich Ihres Lebens, das mich recht in die Erinnerungb anc die ersten Monate unseres hallischen Lebens zurückversetzte, mich zugleich staunen machte über die Masse an Vorlesungen || die Sie sich aufgeladen und die der Frau manchen Seufzer gekostet haben werden – als auch in betreff der berliner wissenschaftlichen und anderen Nachrichten. Bei dem Gedanken was aus Müllers’s Lehrstuhl geworden steigt mir das Blut in den Kopf – doch machs anders! pflegte mein Großvater zu sagen. Die Misere berührt uns doch nur aus der Entfernung, und Hartmann’s übermäßig beschränkte Opposition und ganz tendenziöse Auslassungen machend mir wenig Skrupel. Ich hatte eine kurze Abfertigung bezüglich seines letzten Ergusses über die electrischen Organe an Kühne zum Abdruck in die neue medicinische Centralzeitung, die er mit herausgiebt geschickt. Der meinte ihr Journal eigne sich nicht zu dergleichen – so mag es unge-||druckt bleiben. Die Polythalamien von England leben in einen Gläsern daß es eine Freude ist, und habe ich in den letzten Wochen viele Experimente über die Körnchenströmung an den Fäden gemacht, über welche ich in Troschel’s Archiv einen Aufsatz abdrucken lassen werde, sobald mir Kühne’s Arbeit zugekommen sein wird, die abzuwarten ich für Pflicht halte. Reichert wird dabei beiläufig sein Theil bekommen. Doch nur ganz beiläufig, da mir der Mensch zu schmutzig ist um ihn anzufassen. Auch Actinophrys habe ich wieder vor, und möchte gar der Entwickelung auf die Spur kommen. Im Freien ist Nichts daran zu finden aber wenn ich die Gläser mit Wasser aus dem betreffenden Tümpel in die Stube stelle so habe ich nach 14 Tagen bis 4 Wochen viele große Actinophrys Eichhornii. Ihre Keime, ruhende || Zustände oder dergleichen müssen also doch im Wasser sein. Ich wollte ich könnte Ihnen meine kleine Colonie von Seethieren zeigen, die sich nach u. nach in meinen Gläsern entwickelt haben – durchsichtige Ascidien, Coryne mit massenhaften Medusen, die abgelöst schon seit vielen Wochen lustig fortleben! Leider habe ich nur im Winter sogut wie gar keine Zeit zu eigenen Arbeiten – das betrübt mich oft recht.

Meiner lieben Frau und den „4 Sprossen“ geht es Gottlob gut, nicht so meinem Schwiegervater, der seit dem Herbst sehr elend ist, ich fürchte nicht wieder gesund wird. Er hat sich in England zu sehr angestrengt u. bekommt Lähmung der untern Körperhälfte, wahrscheinlich also vome Rückenmark aus. So fragt es sich auch ob ich Sie werde im Sommer besuchen können wozu ich große Lust habe. Grüßen Sie Bruder Bernhard und Gegenbaur, dem Bezold gefolgt ist, wie ich höre.

Ihre treu ergebener Max Schultze.

Ihrer lieben Frau auch von der meinigen beste Grüße!f Ihr schönes Werk bereitet mir stets neuen Genuß – ich habe es jetzt schon recht genau studirt. Meine kleine Kieselerde Arbeit haben Sie wohl erhalten?g Nun mache ich es doch anders, u. bitte Sie die Einlage an Zeiss zu schicken.h

a korr. aus: Mar; b eingef.: in die Erinnerung; c korr. aus: in; d korr. aus: [xxx]; e eingef.: vom; f Text weiter am linken Rand von S. 4: Ihrer … Grüße!; g Text weiter am linken Rand von S. 3: Ich … erhalten?; h Text weiter am linken Rand von S. 2: Nun … schicken.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1863
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16517
ID
16517