Schultze, Max

Max Schultze an Ernst Haeckel, Bonn, 5. Juli 1863

Bonn 5 Juli 1863.

Lieber Freund!

Da ich an Zeiss etwas zu schicken habe benutze ich die Gelegenheit Ihnen endlich das Polycystinen Präparat von Carpenter und die Renillen zukommen zu lassen. Die großen sind Renilla americana f. reniformis die kleinen entweder 1 neue Species oder Renilla violacea Quoy und Gaimard, was noch ausgemittelt werden soll. Ich bereite eine Monographie über die Dinger vor, warte nur erst auf eine Sammlung von Brasilien. Wenn Sie sie in Wasser legen so bekommen sie auf einige Stunden die Farbe wie frisch und können dann in Spiritus gebracht werden wo sie in der Sammlung mehr Staat machen. Ferner lege ich noch ein Präparat von einer höchst merkwürdigen Spongie bei, von der || mir Carpenter ein kleines Stückchen schenkte. Dieselbe wird Sie sehr interessiren, da sie ein Netz von Kieselfäden bildet, welches an gewisse Netze der Polycystinen erinnert. Hier haben die Balken alle einen feinen Axenkanal, wie für die Kieselglieder der Spongien ganz characteristisch zu sein scheint. Ich weiß keine ähnliche Schwammform wie diese. Es sind große Gebilde, diese Kieselschwämme, wie Carpenter versicherte, das Stück was er hatte war von ganz unregelmäßiger Form, ein Bruchstück.

Haben Sie denn meinen Aufsatz über Polytrema erhalten und jetzt das Protoplasma? Ich bin bezüglich letzterer Arbeit sehr begierig Ihr Urtheil zu hören. Der allgemeine Character derselben ist zwar mehr als mir lieb ist der einer Streitschrift, doch stecken eine Masse von neuena Beobachtungen darin. || Reichert hat sein Theil bekommen und wird denke ich sich über Rhizopoden nicht wieder hören lassen.

Daß ich die Pfingstferien nach Zürich ging, wird Ihnen mein Bruder gesagt haben. Ich hatte eine unwiderstehliche Sehnsucht nach den Alpen und konnte diese durch einige prachtvolle Wanderungen auf Schneeberge stillen. In Zürich lernte ich bei Frey Lymphgefäße injiciren, und habe die Injectionen der Darmzotten Peyer’schen Follikel etc, die Frey so schön abgebildet, alle hier aufs schönste nachgemacht. Es ist ein famoser Fortschritt – wie man noch vor kurzem nicht für möglich hielt.

Was treiben Sie denn. Wo bleiben Sie die großen Ferien? Besuchen Sie mich auf ein paar Tage, ich bleibe zu Hause. Ich hätte viel mit Ihnen || durchzusprechen. Ich könnte Ihnen manches Neue für die Theorie der Zelle mittheilen und Sie sollten mich in die Darwin’schen Theorien einführen, mit denen Sie sich jedenfalls viel genauer wie ich beschäftigt haben.

Wie geht es Ihrer lieben Frau?

Lassen Sie bald von sich hören.

Ihr

Max Schultze.

a eingef.: neuen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.07.1863
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16499
ID
16499