Weismann, August

August Weismann an Ernst Haeckel, Freiburg, 8. Februar 1914

Hrn. Prof. | Häckel | Jena

Freiburg i. Br. | 8 Febr. 1914

Hochverehrter Freund u. College!

Ihr Brief zu meinem 80sten Geburtstag hat mir recht große Freude gemacht u. ich sage Ihnen herzlichen Dank für ihn. Jetzt möchte ich Ihnen zu demselben Festtag meinen besten u. freundlichsten Glückwunsch sagen. Auch Sie hat das Alter nicht ganz mit jeder körperlichen Schädigung verschont, doch sind Sie, wie auch ich selbst noch frischen Geistes u. ich wünsche Ihnen, daß Sie es noch lange bleiben möchten, so wird es Ihnen an befriedigender und Ihnen selbst || wie uns Andere fördernder Ausfüllung Ihrer Tage nicht fehlen. Auch ich kann nicht mehr so, wie ich gern wollte, u. es ist schwer, zu arbeiten, wenn die Augen sich dem hindernd in den Weg stellen. Dennoch versuche ich es, u. sollte mir noch Etwas gelingen, so könnten diese letzten Tage der Sammlung u. des allmäligen Abschieds noch recht ruhige u. schöne sein.

Sie erwähnen die Differenz unserer Überzeugungen, u. ich denke dieselbe wird sich wohl kaum noch während unseres Lebens lösen; Andere müssen nach uns die definitive Lösung bringen. Ich wollte, wir könnten sie noch erleben! Einstweilen aber dürfen wir mit Befriedigung auf das blicken, in || dem wir derselben Meinung sind u. in dem wir hoffen dürfen, richtig u. für die Dauer gearbeitet zu haben, u. dessen ist ja sehr viel. Wenn wir zurückschauen u. an den Stand der Wissenschaft denken, von dem wir Anfang der 60er Jahre ausgingen, so muß es uns fast fabelhaft erscheinen, was wir Alles seitdem gelernt u. wie unser wissenschaftlicher Horizont sich seitdem erweitert hat. Wer an diesen enormen Fortschritten der Erkenntniß auch nur einen kleinen Antheil gehabt hat, der kann mit Stolz auf sein Leben zurückblicken, so, wie Sie es können.

Ich war vor 3 Jahren ganz kurz zum 2ten Male in Jena, konnte Sie aber nicht sehen, da Sie damals gerade noch krank waren. Ich war auch selbst zu angegriffen || von den mehrfachen Untersuchungen mit dem Augenspiegel, zu denen ich nach Jena gekommen war u. von den vielen Versuchen mit geschliffenen Gläsern. Ich habe aber mit Genuß das wirklich schöne Städtchen wiedergesehen, in dem ich von allen nach Freiburg am liebsten wohnen würde. Ihnen wünsche ich vor Allem, daß Sie Sich noch manches Jahr hindurch Ihres schönen Heims erfreuen dürfen, so wie ich mich meines Freiburg erfreue, nachdem auch ich größere Reisen aufgegeben habe.

Mit den besten Wünschen grüßt Sie herzlich

Ihr

August Weismann

Schönsten Dank auch für Ihr Bild! ich lege das meinige bei, was gut sein soll, aber nicht ganz neu ist.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.02.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16486
ID
16486