Weismann, August

August Weismann an Ernst Haeckel, Freiburg, 7. Februar 1904

Herrn Prof. | Häckel | Rapallo.

Freiburg i. Br. | 7 Febr. 1904.

Hochverehrter Freund u. College!

Wenn ich Ihren liebenswürdigen Brief vom 15. Jan. erst heute beantworte, so geschieht es hauptsächlich, weil ich Ihnen nicht nur herzlichen Dank sagen möchte für Ihre guten Wünsche, sondern weil ich zugleich auch Ihnen selbst diese guten Wünsche zurückgeben möchte. Jetzt aber ist es nur noch eine Woche, bis auch Sie den 70. Geburtstag feiern werden, u. da dürfen auch meine aufrichtigsten Glückwünsche bei Ihnen nicht fehlen, u. ich sende sie Ihnen gern schon ein wenig vor der Zeit, weil ich nun aus Erfahrung weiß, daß am Festtage selbst der einzelne Brief kaum || recht zum Bewußtsein kommen kann; es werden ihrer zu Viele auf Ein Mal.

Was Sie mir so freundlich wünschen: einen ruhigen u. in sich befriedigten Lebensabend, das ist auch mein Wunsch für Sie, etwas Besseres gibt es nicht mehr für uns, aber soweit das Schicksal vom Innern des Menschen abhängt, dürfen wir wohl Beide auf einen solchen Lebensabend hoffen, denn die innere Harmonie, das Gleichgewicht zwischen Kraft u. That haben wir uns – wie Sie mir es sagen – errungen durch ein langes Leben voll Arbeit u. Streben; ich denke, wir werden auch Beide nicht eher aufhören, als wir müssen.

So dürfen wir das Wort auf uns beziehen, das die himmlischen Geister dem Faust zurufen: Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen – erlösen von innerem Zweifel u. Widerspruch u. hinführen || zur inneren Harmonie.

Fast beneide ich Sie um das schöne Rapallo, das ich gut kenne, wenn ich auch nie längere Zeit dort gewohnt habe. Aber die Riviera di Levante war seit lange mir besonders lieb, u. oft bin ich von Genua her auf den Montefino u.s.w. herübergekommen. Jetzt seit lange nicht mehr!

Es freut mich zu hören, daß Sie wieder in einer neuen biologischen Arbeit stecken u. ebensosehr, daß Sie meine Vorträge lesen. Gewiß stehen wir in unsern Ansichten nicht weit auseinander u. es sollte mich ganz besonders freuen, wenn Ihnen grade meine Vorträge diesen Abstand noch geringer erscheinen ließen, als Sie ihn vielleicht früher abschätzten.

Haben Sie auch noch schönsten Dank für die Beilage Ihres Briefes, die reizende Ansichts-||karte mit der traulichen Salita, die mir manche liebe alte Erinnerung wachgerufen hat! Um Ihnen aber zu zeigen, daß wir doch auch hier heimliche Fleckchen haben, lege ich eine Ansicht aus einem Seitenthälchen des Höllenthals bei.

In der Hoffnung, daß auch Ihrer verehrten Frau, der ich mich unbekannterweise freundliehst zu empfehlen bitte, der Riviera-Aufenthalt fernerhin gut bekomme, wie Ihnen selbst, grüße ich Sie mit den herzlichsten Glückwünschen

als Ihr

aufrichtig ergebener

August Weismann

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.02.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Rapallo
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16484
ID
16484