August Weismann an Ernst Haeckel, Freiburg, 18. November 1896
Freiburg i. Br. | 18 Nov. 1896
Sehr verehrter Freund u. College!
Mit Freude habe ich Ihr Buch erhalten, den zweiten Theil der systematischen Phylogenie; ich danke Ihnen für freundliche Übersendung desselben und wünsche Ihnen zugleich Glück dazu, ein so großes Werk so glänzend durchgeführt zu haben. Ich bewundere vor Allem Ihre Arbeitskraft, die Ihnen erlaubt, diesen kolossalen Stoff derart durchzuarbeiten. Ich habe natürlich in diesen letzten Tagen nur hier u. da in das Buch hineingesehen, aber so Viel konnte ich doch sehen, daß es große Fortschritte enthält, u. daß ich es noch oft zu Rathe ziehen werde.
Ich selbst liege jetzt, wie ja schon seit dreißig Jahren || stets mit meinen Augen im Kampf, die sich zwar dafür, daß sie schon so lange von der Norm abweichen, noch leidlich halten, mich aber doch in meinem Arbeiten wesentlich bestimmen u. ungemein hindern. Ich gebe aber trotzdem die Hoffnung nicht auf, noch Einiges, was mir Freude macht, d. h. was einigen Werth hat, fertig zu bringen, u. so hoffe ich, mich bei Ihnen auch noch für Ihr schönes Geschenk revanchiren zu können – früher oder später!
Mit freundschaftlichem Gruß·
Ihr aufrichtig ergebener
August Weismann