August Weismann an Ernst Haeckel, Freiburg, 22. Februar 1885
Freiburg i. Br. | 22 Febr. 1885
Lieber Freund u. College!
Hierbei erhalten Sie Ihre Institutspläne mit vielem Dank wieder zurück; sie haben mir gute Dienste geleistet u. mich auf Manches aufmerksam gemacht, wenn auch eine genaue Nachbildung natürlich ausgeschlossen war, da das hiesige Institut kleiner u. einfacher werden muß, als das Ihrige. Ich habe die Pläne jetzt fertig u. hoffe, dera Bau soll gut ausfallen. Wenn er nur auch sofort beginnen könnte!
Ja ich habe München dran gegeben u. habe so thun müssen da die Stellung, wie sie mir dort geboten wurde u. auch unter den dortigen Ver-||hältnissen nicht anders geboten werden konnte, für mich nicht annehmbar war. Ich muß Arbeits-Freiheit haben, u. die wäre mir dort durch tausenderlei Scherereien verkümmert worden. – Sonst hätte mich die Kunststadt München wohl gelockt! Doch läßt’s sich auch hier leben, u. als Groß- u. Kunststadt benutzen wir das 1 Stunde entfernte Basel, wie Sie Weimar. Dort gibts schöne Concerte, vortreffliche Kunstsammlungen u. den Collegen Rütimeyer, der ein sonderlicher Kauz ist u. soviel ich merke nicht besonders gut auf uns Deutsche zu sprechen ist, wie alle seine deutschen Staatsgenossen. Diese deutschen Schweizer würden glaube ich lieber von den Chinesen abzustammen zugeben, als daß sie bekennen, sie seien eigentlich doch ein deutscher Stamm u. deutsch sei ihre Muttersprache. Das war vor 1870 schon so u. ist seitdem nicht besser, eher schlimmer ge-||worden. Doch gibt es einzelne Ausnahmen.
Sehr leid war es mir zu erfahren, daß es Schulze in Berlin nicht zusagt. Ich kann mir lebhaft denken, daß er kein Mann ist der sich in diesem unruhigen Treiben gemüthlich fühlt. Er hätte sich gewiß in Graz besser behagt u. hätte dort wohl auch mehr geleistet, als man Ihm in Berlin zu leisten gestatten wird.
Mir u. meiner Familie geht es gut; die Töchter wachsen heran u. ich merke daran – glücklicherweise aber nur daran! – daß ich alt werde. Hoffentlich geht es auch bei Ihnen nach Wunsch.
Mit freundlichen Grüßen von mir u. meinen Schwägern
Ihr
August Weismann
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