August Weismann an Ernst Haeckel, Freiburg, 3. Januar 1873
Freiburg i. Br. | 3 Jan. 1873.
Lieber College u. Freund!
Sie beschämen mich durch Ihre liebenswürdigen Geschenke! Haben Sie besten Dank für den reichen Ersatz meiner sehr geringen Kalkschwammsendung. Auch d. 2 Aufl. Ihrer Schöpfungsgeschichte habe ich richtig erhalten u. ebenso jetzt den allgm. Theil Ihrer Kalkschwämme. Ich brauche nicht zu sagen, daß ich Letzteren sofort u. mit dem größten Interesse durchgelesen habe u. nun sehr gespannt bin, das ganze Werk in diea Hände zu bekommen u. im Einzelnen die Belege zu Ihren Schlüssen kennen zu lernen.
Ihre Auffassung des || Cölenteraten-Leibes hat mich ganz besonders angesprochen wie denn überhaupt die Schlüsse, welche Sie aus der vergleichenden Ontogenie ziehen von der größten Bedeutung werden müssen. Doch behalte ich mir eine nähere Besprechung der für mich besonders interessanten Punkte Ihrer Arbeit für die Zeit vor, wo ich dieselbe ganz kennen werde.
Mir geht es in diesem Winter weit besser, die volle Genesung erscheint nun doch in endlicher Ferne, ich lese wieder u. meine Arbeiten rücken – wenn auch recht langsam – vor. In welcher Richtung ich arbeite, haben Sie aus meiner Schrift über d. Wirk. d. Isolirung sehen können, deren polemische Form den positiven Inhalt hoffentlich nicht allzusehr ver-||hüllt hat. Seit beinah einem Jahre habe ich eine zweite kleine Schrift liegen, die ebenfalls den Modus der Artumwandlung behandelt, habe mich aber noch nicht zum Druck entschließen können, weil ich zu sehr fühle, wie viel zu eigentlichem innern Abschluß daran noch fehlt u. weil neue Beobacht. u. Versuche, die einen solchen bringen könnten, nur im Laufe längerer Zeit zu gewinnen sind.
Nun leben Sie wohl! Vielleicht bringt mir dieses Jahr ein Wiedersehen mit Ihnen!
Herzl. Gruß!
Ihr
ergebner
Aug. Weismann
Ich bitte um Gruß an Gegenbaur.
a eingef.: die