Weismann, August

August Weismann an Ernst Haeckel, Freiberg, 11. Januar 1872

Freiburg i. Br.

11 Januar 1872.

Lieber Freund u. College!

Verzeihen Sie mein langes Schweigen. Ihre freundlichen Zeilen von vorigem Sommer beantwortete ich nicht gleich, weil Sie mir Aussicht auf einen Zusatz dazu gemacht hatten. Sie erinnern sich vielleicht, daß Sie mir wegen dera Jenenser Zeitschrift u. eines etwaigen Verlegerwechsels Nachricht geben wollten. Inzwischen hat sich meine damalige Idee doch nicht ausführen lassen, nämlich meine Isolirungsarbeit in 2 Hälften || zu theilen u. damit habe ich zugleich die Idee aufgeben müssen, sie in einer Zeitschrift zu publiciren, da sie ungetheilt zu viel Raum einnähme. Sie würde auch ihrem Inhalte nach, wie mir scheint, nicht recht dazu passen, u. so danke ich Ihnen herzlich für die Bereitwilligkeit, mit der Sie mir Ihre Zeitschrift zur Veröffentlichung anboten u. hoffe, bei späterer Gelegenheit davon Gebrauch machen zu dürfen. Meine jetzige Arbeit erscheint in einigen Wochen bei Engelmann, es sollte mich freuen, wenn sie brauchbare Ideen darin finden.

Auf Ihre große Spongien-Monographie bin ich sehr begierig, wird sie schon in diesem Jahre gedruckt?

Hier, wie überall an Deutschen Universitäten || versetzen die Straßburger Berufungen in einige Aufregung. Zwei meiner näheren Bekannten verliere ich wieder dadurch Binding u. Schönberg. Daß Gegenbaur abgelehnt hat, habe ich gelesen u. daraus geschlossen, daß auch sie ablehnen werden, falls man Sie ausersehen hat. Meiner Meinung nach gehörten grade Sie dorthin, doch weiß ich nicht, ob man über Zoologie überhaupt schon Gedanken gehabt hat. Roggenbach ist seit lange nicht hier (wo er sonst wohnt). Vielleicht glaubt man Sie auch zu ausgesprochen antichristlich, für die Frommen im Elsaß! Daß Sie in Wien voriges Jahr abgelehnt haben trotz der angenehmen Triestiner Aussichten, begreife ich; denn schweigen u. auf pfäffische Bedürfnisse Rücksicht nehmen || verträgt sich mit Ihren Ansichten jedenfalls so wenig, als mit den meinigen, u. wenn Sie in Wien frei geredet hätten, so hätten Sie sicherlich viel an Sich ablaufen lassen müssen u. viel Zeit unerquicklichen Händeln opfern müssen! Hier bei uns ist die schwarze Schaar jetzt ganz still, sie wollen uns erst abschlachten, wenn sie in Baiern gesiegt haben werden. Doch denke ich, es soll Ihnen weder dort noch hier gelingen.

Mir geht es seit vorigem Sommer immer besser, doch will ich erst nächsten Winter wieder mit der Vorlesung beginnen u. meinen einmal erhaltenen 2jährigen Urlaub bis zu Ende ausnutzen, da er mir so gut bekommt. Schade, daß die verschiednen Vakanzen, welche die Straßburger Besetzung nach sich ziehen wird etwas zu früh kommen für mich. Man wird schwerlich eher || wieder Rücksicht auf mich nehmen, ehe ich nicht wieder meine volle Thätigkeit hier aufgenommen habe. Doch kann mich das nicht bestimmen, mich damit zu übereilen.

Sollten Sie im Frühling ans Mittelmeer gehen, so bitte lassen Sie es mich wissen. Nicht daß ich mich Ihnen als Begleiter aufoctroyiren wollte, sondern weil ich in diesem Fall Sie mit einer Bitte beschweren möchte, die Sie vielleicht leicht erfüllen könnten.

Mit herzlichem Gruß an Gegenbaur u. Sie

Ihr

August Weismann

Bitte schreiben Sie mir doch die Adresse von Anton Dohrn in Neapel. Bleibt er noch lange dort?

a korr. aus: des

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.01.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16450
ID
16450