Hugo Schuchardt an Ernst Haeckel, Graz, 25. November 1881
Graz, den 25ten Nov. 1881.
Hochverehrter Herr Kollege!
Jedem, der wie Sie in fernen Ländern reist, passirt es, dass er von Landsleuten ‒ auch von ganz fremden ‒ mit Anliegen heimgesucht wird, die diesen sehr einfach und natürlich, ihm selbst aber kurios, lästig, schwer zu erfüllen scheinen, die also, um mich kurz und orientalisch auszudrücken, als Mücken aufgegeben werden und als Elephanten anlangen. Sie werden daher durch meine Bitte nicht überrascht sein und ihre Berücksichtigung durchaus von Ihrer Bequemlichkeit abhängig machen. Da ich Ihnen wahrscheinlich auch dem Namen nach unbekannt bin, so diene es mir zur Empfehlung, dass ich ein Schüler Schleicher’s war, dass ich für den all-||gemeinen Gang Ihrer Forschungen mich lebhaft interessire und dass ich innerhalb meiner Disciplin mich nach Kräften bemühe, die naturwissenschaftliche Methode zur Geltung zu bringen.
Schon vor 10 Jahren hatte ich mich mit dem Studium der kreolischen Mundarten, u. A. auch mit dem des Indoportugiesischen, beschäftigt, dasselbe aber aus Mangel an zureichendem Material, abgebrochen. Eine bestimmte Veranlassung führt mich jetzt auf dies Studium, dessen Probleme für einen Ethnologen mehr Reiz bieten, als für einen Philologen, zurück und ich versuche mich mit allen möglichen Hülfsmitteln zu versehen. Das Indoportugiesische besitzt ‒ dank der protestantischen Mission ‒ eine ziemlich reiche Litteratur, aber, abgesehen vom Neuen Testamente, ist Alles auf gewöhnlichem buchhändlerischen Wege kaum zu erlangen. || Besonders gilt dies von einigen älteren Veröffentlichungen, welche gerade, weil sie grammatikalischer und lexikalischer Natur, für den Sprachforscher erhöhten Werth haben, so
Fox, A Dictionary in the Singhalese, Portuguese and English language Colombo 1819 od. 20 (sec. ed.)
Berrenger, A grammatical arrangement on the method of learning the corrupted portuguese sec. ed. Colombo 1811
Callaway, A vocabulary in the Ceylon Portuguese and English languages Colombo 1820.
Auch religiöse Zeitschriften, wie die Voz de verdade, sind in Ceylon erschienen; wichtig wäre es aber zu wissen, ob ausser religiösen Schriften, in denen das Kreolische immer etwas seiner eigenthümlichen Natur entkleidet und künstlich präparirt auftritt (so dass auf Ceylon vielleicht auch wie auf der westindischen Insel St. Thomas zwischen Hochkreolisch und Plattkreolisch a unterschieden wird), noch Anderes insbesondere Komisches oder Satirisches gedruckt worden ist. ||
Meine Bitte an Sie geht nun dahin, mir, wenn sich Ihnen die Gelegenheit dazu bietet, die Adresse einer (oder mehrerer) Persönlichkeiten zu verschaffen, von denen ich hoffen könnte nähere Informationen zu erlangen und die Adresse einer Buchhandlung, von der sich direkt indoportugiesische Bücher beziehen liessen. Vor Allem käme es darauf an zu wissen ob die Wesleyan Mission Press zu Colombob noch besteht (so wie die Baptist Mission Press zu Kandy); jene älteren Bücher freilich werden nur antiquarisch, d. h. bei irgend einer günstigen Gelegenheit, zu haben sein. Und sollte Ihnen zufällig einmal Etwas über ein in den noch heute portugiesischen Besitzungen der Westküstec (bes. zu Goa) gesprochenes Indoportugiesisch oder ein zu Pondichéry herrschendes Indofranzösisch zu Ohren kommen, so behalten Sie das vielleicht für mich im Gedächtniss. Indem ich Sie bitte diese Belästigung zud entschuldigen unde meinen Dank auch nur für Ihren guten Willen im Voraus entgegen zu nehmen, bin ich mit ausgezeichneter Hochachtung,
Ihr ergebenster
Dr. Hugo Schuchardt, k. k. Universitätsprofessor zu Graz
(romanische Philologie).
a gestr.: ); b eingef.: zu Colombo; c korr. aus: Ostküste; d eingef.: zu; e korr. aus: zu