Johannes Walther an Ernst Haeckel, Halle, 25. November 1913

GEOLOGISCHES UND MINERALOGISCHES INSTITUT

AN DER UNIVERSITÄT HALLE

HALLE A. S., 25 XI 1913

DOMSTR. 5 FERNRUF 3271.

Liebe verehrte Excellenz!

Ich hatte den ganzen Sommer vor, Sie einmal in Jena zu besuchen, aber immer wieder verschoben sich meine Pläne, und so ist es bald Winter geworden, ohne daß ich meinen Plan ausführen konnte. Im April hatte ich an der Universität London einige Vorträge zu halten, die, obwohl ich englisch frei sprechen mußte, gut gelangen. Bei dieser || Gelegenheit wurde ich eingeladen, nächsten Juni zur Tagung der British Association mit nach Australien zu reisen, wo einige interessante Wüstenexkursionen mich sehr verlocken. Ich hoffe auf der Heimreise von Torres-Strait noch 2 Wochen nach Jena zu kommen u. trotzdem zum Winter Semester wieder daheim zu sein.

Im vergangenen Sommer spielte die Anfrage der Leipziger Fakultät, ob ich einen Ruf auf Credners Lehrstuhl annehmen würde, eine große Rolle in unserem Leben. Aber die äußeren Verhältnisse im Institut sind dort || so unerfreulich, und erst in 2 Jahren tritt eine Besserung ein; außerdem konnte ich mich nicht entschließen, die Direktion dera Geologischen Landesanstalt ohne verantwortliche Stellvertreter zu übernehmen wegen der vielen damit verbundenen rein technischen Arbeiten so daß ich in dieser Hinsicht sehr scharfe Bedingungen stellen mußte, die trotzdem mich die Fakultät primoloco vorschlug dann zur Berufung eines Anderen führte.

Wir sind über diesen Ausgang beide sehr froh, denn wir hätten hier soviel eingebüßt an Ruhe zur wissenschaftlichen Arbeit und angenehmsten kollegialem Verkehr, daß wir einen schlechten Tausch gemacht hätten. Ich habe manchmal || dabei an Sie gedacht, da Sie doch auch ehrenvolle Rufe ablehnten, um im stillen Jena ruhig arbeiten zu können. Unsere Kinder sind rasch heran gewachsen, Hellmut ist bald Obertertianer und Sigrun kommt nach Ostern zur Schule.

Mit ganz besonderer Freude hörte ich kürzlich von Seydlitz, der mich besuchte, daß Sie wieder gehen können. Das ist ja überaus erfreulich! Hoffentlich sind Sie dadurch nun auch wieder selbst in froherer Stimmung. Sonst haben wir lange nichts von Jena gehört.

Mit den herzlichsten Grüßen, auch von meiner Frau

Ihr

treu ergebener

J Walther

a eingef.: Direktion der

Brief Metadaten

ID
15816
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
25.11.1913
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,5 x 22,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 15816
Zitiervorlage
Walther, Johannes an Haeckel, Ernst; Halle; 25.11.1913; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_15816