Jena 12 I 1901
Lieber Herr Professor!
Mit Schrecken sehe ich, daß mein Geburtstagsbrief nun doch nicht mehr rechtzeitig in Ihre Hände kommen wird, nachdem ich schon vor 10 Tagen einen, leider nicht vollendeten, Brief angefangen hatte. Nun werden die Glückwünsche, die ich Ihnen mit meiner Frau sende, zwar etwas verspätet eintreffen, aber sie sind nicht minder herzlich. ||
Möchten Sie, nachdem Sie, wie ich mit Bedauern hörte, einen so wenig erfreulichen Abschluß des letzten Jahres fanden, nun in voller Frische u. Genußfähigkeit den Zauber der Tropenwunder auf sich wirken lassen können, und reich a den schönsten Erinnerungen u. Aquarellen unsb recht bald gesund heimkehren.
Hier hat sich ja inzwischen viel verändert, aber alte Liebe u. Treue wartet Ihrer, und freut sich auf den Tag, wo Sie wieder nach Jena kommen. ||
Uns ist’s recht gut gegangen. Unser Junge nimmt zu an Alter u. geistigen Fähigkeiten, und macht uns durch sein heiteres Wesen u. seinen willenskräftigen kleinen Charakter viele Freude. Mein Wüstenbuch ist im Dezember erschienen, und meine Vorlesungen sind gut besucht. Wir haben wiederholt versucht, die Freunde von der Schweizerhöhe zu einem gemeinsamen Spaziergang zu vereinigen – aber es ist bisher nicht gelungen. Heute trafen wir Müllers auf der Schweizerhöhe u. wanderten mit ihnen durch die wunderbar bereiften Wälder. ||
Durch den Tod des Großherzogs ists gesellschaftlich ganz still geworden u. man kann sich seiner schönen Häuslichkeit freuen. Unser Haus ist leider verkauft u. wir müssen für 1.X. eine neue Wohnung suchen, wobei wir wohl einen schlechten Tausch machen werden.
Wie mir Linck mittheilte ist er schon damit beschäftigt, die Risse für das neue Institut im Universitätsgebäude zu entwerfen.
Mit den herzlichsten Grüßen von mir u. meiner Frau
Ihr
treuergebener
Johannes Walther.
a gestr.: mit b versehentlich statt: und