Carl Theodor Ernst von Siebold an Ernst Haeckel, München, 23. Oktober 1873
München den 23t October
1873.
Mein sehr verehrter Freund und Collega!
Herzlichen Dank sage ich Dir für die Zusendung der vierten Auflage Deiner Schöpfungsgeschichte, die ich immer und immer wieder in die Hand nehme, um mich daran zu erfreuen. Leider kann ich Dir kein Aequivalent dagegen anbieten, Du mußt Dich schon mit solchen Kleinigkeiten begnügen, wie ich Dir im verflossenen Juli eine solche: über Parthegenesis der Artemia salina gesendet habe. Hoffentlich hast Du diesen Separatabdruck unter Kreutzband richtig erhalten.
Nachdem Gegenbauer nach Heidelberg übergesiedelt, wirst du wohl bald nachfolgen; ich kann mir gar nicht denken, wie Ihr so voneinander getrennt es aushalten könnt. Auch ist, wie ich von verschiedenen Seiten erfahren habe, der Zoologe in Heidelberg so gänzlich verstimmt, daß derselbe jede beste nächste Gelegenheit benutzen würde, um den Heidelberger Boden zu verlassen, auf welchem die Zoologie durchaus nicht gedeihen will. In der letzten Zeit soll das Auditorium für dieses Fach gänzlich verödet sein. Was die Ursache der Gleichgültigkeit der studierenden Heidelberger Jugend gegenüber diesem sonst so gern gehörten Lehrfach ist, will ich hier nicht erörtern, da Du das besser wissen wirst als ich.
Durch Collegen Frey habe ich kürzlich erfahren, daß Zeiss || in neuester Zeit vortrefflich verbesserte Mikroskope anfertige; da ich mir gerne einen Zeiss anschaffen möchte, (ich habe bisher immer die Kellnerschen älteren Mikroskope benutzt), so erlaube ich mir, die Bitte an Dich zu richten, es gütigst vermitteln zu wollen, daß ich durch Zeiss recht bald ein solches verbessertes Mikroskop erhalte. Ich bedarf nicht das größte, sondern ein mitteleres, handliches Mikroskop zum täglichen Gebrauch und zum Unterricht für Anfänger, ich dachte dabei an jenes Mikroskop, welches Frey (in seiner Schrift: Mikroskop, vierte Auflage 1871, pag. 382. nr. 6 von Carl Zeiss empfiehlt zu dem Preis von 64 rℓ. Ein Immersions-System kann ich entbehren.
Wenn ich durch Deine Vermittlung einen Zeiss, wie ich ihn oben angedeutet habe, recht bald erhalten könnte, wäre ich Dir sehr dankbar. Zahlung wird nach Empfang umgehend erfolgen.
In freundschaftlicher Ergebenheit
C. v. Siebold.