Severinus, Rudolf

Rudolf Severinus an Ernst Haeckel, Hermannstadt, 5. April 1867

Hermannstadt 5/4 1867.

Geehrter Herr Professor!

Als sie mich vor einem Jahre mit ihrer Photographie so freudig überraschten, dachte ich wirklich nicht, daß ich erst jetzt ihre daran geknüpfte Bitte erfüllen würde. Ich weiß, daß weder meine Prüfungssorgen im vergangenen Jahre noch meine Prüfung selbst und die bald darauf erfolgte Anstellung mich entschuldigen können, und bitte sie daher, halten sie mich für den leichtsinnigsten nachlässigsten Menschen, nur nicht für einen, der jemals ihre Freundlichkeit vergessen wird. ||

Im Februar habe ich meine Lehramtsprüfung glücklich überstanden. Es könnte sie vielleicht interessiren ein Näheres über eine Lehramtsprüfung in Siebenbürgen zu erfahren. Ich hatte mich natürlich für das naturwissenschaftliche Fach (Naturgeschichte und mit ermäßigten Forderungen Mathematik u. Physik) gemeldet. Meine Fragen waren folgende:

1) Einfluß des Wassers auf die Umbildung der Erdrinde

2) Vergleichende Anatomie des Skelets’s der Wirbelthiere

3) Die Elementarorgane der Pflanzen.

4) Die Krÿstallsyteme

5) Linne’s Pflanzensystem, Kritik desselben.

6) Cuviers’s Thiersystem, Kritik desselben.

7) Geographische Verbreitung der Säugethiere

8) Geometrische Progressionen

9) Einrichtung u. Gebrauch der Gewichtsbareometer. ||

Vierzehn Tage nach meiner Prüfung wurde ich an der neu errichteten Realschule zu Heltau, einem hübschen Marktflecken eine Stunde weit von Hermannstadt am Gebirge, mit 600 fl und freiem Quartier angestellt, bin also materiell für hiesige Verhältnisse wohl versorgt. Meinen Dienst trete ich übrigens erst Anfang Mai an, bis wohin ich noch in Hermannstadt verbleiben werde.

Ich kann auch diesen Brief nicht ohne eine Bitte schließen. Ich stehe mit der Deistung’schen Buchhandlung noch immer in Verbindung, habe ihr bis 15tn April eine Zahlung versprochen, möchte aber bei dem jetzigen Stande unseres Geldes lieber ein halb Jahr Stundung mit den landesüblichen Intressen erhalten. Falls dies durch || ihre Befürwortung zu erreichen wäre so geschähe mir ein sehr großer Gefallen. Ich würde in diesem Falle die Buchhandlung ersuchen mir die vielleicht bis jetzt erschienenen letzten Hefte von Brehms Thierleben (von 67 incl.) und: „Flora im Winterkleide von Emil Adolf Roßmaeßler“ überschicken zu wollen.

Noch eine kleine Bitte:

Im Laufe dieses Jahres kömmt vielleicht doch die Eisenbahn auch in unser bergumgürtetes Land. Vergessen sie a nicht ihr Versprechen Siebenbürgen besuchen zu wollen, und vergessen sie dabei auch nicht ganz Ihres dankbaren Schülers

Rudolf Severinus.

(Elisabethgasse 516)

a gestr.: d

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.04.1867
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 15136
ID
15136