Fürbringer, Max

Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Heidelberg, 10. Juni 1916

Heidelberg, 10.6.1916.

Lieber und hochverehrter Freund!

Vielen herzlichen Dank für Deinen lieben interessanten Brief und Deine gütige Erwähnung des Besuches meines Bruders und meiner Schwägerin bei Dir. Beide schrieben uns entzückt und freudigst erregt von Deinem so überaus liebenswürdigen Empfange ihres Besuches und von Deiner großen Frische, welcher die Jahre nichts abziehen konnten. Diese Mitteilungen haben uns natürlich mit größter Freude erfüllt.

Deine „50 Jahre Stammesgeschichte“ habe ich mit lebhaftem Interesse und Vergnügen gelesen und doch wieder viel daraus gelernt. Freilich kann ich Dir || nachfühlen, was Du bei den besonderen Wegen dieses oder jenes Deiner Schüler empfindest. Bitter, aber wer macht dies nicht an seinen Schülern durch! Mich tröstet der Glaube an die Dauerfähigkeit der historischen Begründung der morphologischen und biologischen Vorgänge und des biogenetischen Grundgesetzes, und so werde ich auch mit dem Vertrauen und der Befriedigung sterben, daß meiner Lehrer Lehren zahlreiche moderne Auffassungen in voller Kraft überleben werden, während diese von der wissenschaftlichen Fläche verschwunden sein werden.

Richard Hertwig und Frau || sahen wir übrigens in Baden-Baden; beide frisch und munter. Wir sprachen viel von Dir.

Soweit es die Gesundheit erlaubt, genießen auch wir den Frühling und Frühsommer hier. Freilich bietet er in unserer Gegend mehr Regen als Sonne, aber einen Blütenreichtum, wie wir ihn in unserer blumenarmen Flora selten erlebt haben. Für die Ernte verspricht das Jahr mit seinem feuchten Wetter das beste; möge diese Entwickelung freudig weiter gehen!

Und die letzten Ereignisse bei Verdun, Norditalien, und auf der Nordsee sind so wundervoll! England ist jetzt || nur noch Sieger in der Macht der Gemeinheit und Lügenhaftigkeit. Diesen Vorrang müssen und wollen wir ihm lassen. Aber geraume Zeit wird es noch bis zum Frieden dauern; dann aber kommt hoffentlich die gegenseitige Abrechnung der Ententebrüder unter sich, die freilich Sklaven des triumphierenden Albion bleiben werden.

Wir senden Dir die herzlichsten Grüße und innigsten Wünsche.

Dein

M. Fürbringer.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.06.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1405
ID
1405