Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Heidelberg, Februar 1916
Zur Vollendung meines 70. Lebensjahres sind mir zahlreiche und grosse Freundlichkeiten erwiesen worden.
Obwohl es meinem Empfinden nicht entsprach, dass in dieser grossen und ernsten Zeit von der Nichtigkeit des 70. Geburtstages eines stillen Arbeiters genommen wurde, so haben mir doch die vielen Beweise treuen, freundschaftlichen und gütigen Gedenkens, die Bekundungen idealer und patriotischer Gesinnung und der in unser Haus gesandte blühende Frühling wohlgetan. Von ganzem Herzen danke ich dafür.
Möge unserem teuren Vaterlande und unserer guten Sache der Sieg verbleiben und möge ein landdauernder Friede voll glücklichsten Wiederaufbauens und Erstarkens der unveräusserlichen Güter der Menschheit geschenkt werden!
Max Fürbringer.
Heidelberg, Februar 1916.
Hochverehrter und lieber Freund!
Bei dem Zustand von Gehirnerweichung, in dem der gewöhnliche Mensch sich befindet, wenn er hundert Glückwunschbriefe beantwortet hat und wenn noch hunderte vor ihm liegen, habe ich gezögert, ob ich Dir jetzt schreiben dürfe. Der Drang, Dir zu danken, war aber zu groß, und ich weiß nicht einmal, ob die in meinem Schädel sich befindende Gehirntunke sich nicht noch mehr verflüssigt. || So nimm meinen aus vollen Herzen kommenden Danka in seiner völligen Unzulänglichkeit mit gewohnter Güte entgegen; ultra posse nemo teneatur.
Herzlichst haben wir uns über Dein treues und gütiges Gedenken gefreut, erahnen wir doch zugleich aus Deinem großen Briefe und Deiner frischen Handschrift, wie aus Deinem wundervollen Bilde und Deiner Mitteilung, daß es Dir leidlich gut gehe, zu unserer innigen Freude, daß die Jahre noch keine Macht über Dich gewonnen haben. Und durch Deine Güte sind wir aufs Tiefste ergriffen. An der Hand Deiner lieben Schilderungen haben wir alle die glücklichen Jenenser Jahre noch einmal durchlebt; wie unendlich viele Stunden gesteigerter Seligkeit (im Spinozistischen Sinne) haben wir unter Deiner Führung gehabt! Jena war das Land unserer Jugend, war unser Paradies; ein solches genießt man nur einmal im Leben, aber die Erinnerung dauert, so lange man lebt! Jetzt ist freilich – auch andere außer Dir sagen es – Jena recht anders geworden. Wie dankbar sind wir, daß wir mit empfänglichen Herzen Jenas Höhezeit mitmachen durften!
Auch Deine anderen Geschenke haben wir in herzlicher Dankbarkeit empfangen und mit innigstem Interesse genossen. Welche Fülle von Schönheiten und von Gedanken geben sie wieder.
Selbstverständlich habe ich meinen Geburtstag || nur mit Frau, Kindern und Enkeln in aller Stille begangen und alle offiziellen und nicht offiziellen Versuche mich heimzusuchen b limine abgelehnt. Aber die Flut der ins Haus gesandten Briefe und Telegramme ist gräßlich. Wie von den Engländern kann man hier mit Kant sagen: Einzeln Engel, in Masse Teufel.
Auch bei uns viele Sorgen wegen der Zukunft. Amerika ist unser größter Feind. Aber die mannhaften Worte unseres Reichskanzlers, der mir überhaupt am meisten sympathischen Erscheinung unter allen Nachfolgern unseres großen Bismarck, haben uns wohlgetan, und die Veröffentlichungen über die schon seit Jahren bestandene Bewaffnung der englischen Handelsschiffe und über die dabei einhergehende heimtückische Verlogenheit Englands kam auch zurecht. Auf die Amerikaner wird sie keinen Eindruck machen; dieses edle Volk hat nur einen kategorischen Imperativ: Möglichst vorteilhaftes Geschäft! Und alle anderen Verbündeten Englands sind deren willen- und urteilslose Sklaven.
Mit unserem Dank verbinden wir die innigsten Wünsche für Dich. Dank und Wünsche gelten aber nicht Dir allein, sondern auch Deiner Enkelin, von der Du uns schon so Liebes geschrieben hast. Sie ist Deine treue Mitgängerin || und die Hüterin Deiner Jugend, des in Dir lebenden und flammenden heiligen Feuers. Dafür gebührt ihr alles Gute, was man Menschen nur wünschen kann.
In herzlicher Dankbarkeit und Verehrung von uns Beiden
Dein treu ergebener
M. Fürbringer.
a eingef. mit Einfügungszeichen: Dank; b gestr.: a