Fürbringer, Max

Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Oberhof, 9. September 1898

Oberhof, 9.9.1898.

Hochverehrter Doctor spiritus sanctissimi, Doctissime multiplex, lieber Freund!

Mit grosser Freude erhielten wir Deinen lieben Brief mit den vielen freudigen und interessanten Mittheilungen; freilich brachte er uns zugleich eine recht große Enttäuschung. Wir dachten Dich in den Alpen auf schneeigen Gipfeln in Deinem Purpurtalar herumwandelnd, vielleicht auch Manfred besuchend, um ihn zum heiligen Geiste zu bekehren, – und nun bringen Deine Zeilen die Nachricht, dass vorerst die weiteren Reisepläne sich zerschlagen haben. Aber wir schließen aus Deinem Briefe, dass die diesmalige Attake einen mehr harmlosen Charakter trägt, und so hoffen wir mit den Deinigen, dass die Ruhepause in der schönen Heimath nur eine Kurze ist, dass Du bald den Wanderstab ergreifen kannst, um das Reiseprogramm nach dem Süden ebenso glücklich und ruhmvoll zu Ende zu führen, wie das nach dem Norden. Von Deinen || Cambridger Thaten lasen wir schon zuvor in den Zeitungen, wo die von Dir behandelten Themen den Mittelpunt des Interesses bildeten; und Du kannst Dir denken, wie sehr unsere Jenenser vom Haeckelismus ergriffenen Herzen sich darüber freuten. Herzlichste Glückwünsche und herzlichste weitere Wünsche!

Daß Du die lieben Deinigen wieder bei Dir hast, ist Dir eine grosse Freude und Beruhigung. Hoffentlich hat Deiner lieben Frau und Tochter der Friedrichsrodaer Aufenthalt im Ganzen doch recht wohlgethan. Die Witterung mit ihren verrückten Sprüngen hat den Kurfrischlern dieses Mal kräftig zugesetzt; erst eine Hitze, dass das Hirn zu ölartiger Consistenz sich auflöste, dann eine Kälte, dass Einen – wie uns eine nahezu 2 Centner schwere Dame von sich versicherte – die Knochen im Leibe klapperten. Wer das gut ertragen, der hat eine gute und gesunde Zukunft verbrieft!

Unser Aufenthalt ist jetzt ganz wundervoll, nachdem wir etwa eine Woche lang bitterste Kälte durchgemacht. Aber bei solchem Wetter wie jetzt, ist || Oberhof unübertrefflich. Man schwelgt in der reinen Luft und in den Waldgerüchen, und denkt gar nicht gern an die Rückreise. Gestern machten wir eine Tagesfahrt nach Friedrichroda, um die Familie Braus zu besuchen und unseren künftigen Schwiegersohn auf einige Tage hierher zu holen; da merkten wir den Unterschied zwischen Friedrichroda und Oberhof. Wenn ich auch an den schlechten Tagen nicht viel vornehmen konnte, so meine ich doch, dass die guten mir genützt haben. Ich lebe immer noch wie eine Blume, d. h. ich nähre mich nur von thierischen Abfällen und lasse mich tüchtig begießen, halte mich aber von jeder animalen Thätigkeit und namentlich von aller Ganglienarbeit gänzlich fern, und habe für meine Constitution das Mittel sehr probat gefunden. Auch uns Anderen geht es gut; Dr. Braus wird die Nachwehen seines Typheolinus hoffentlich auch bald überwunden haben.

Deine Mittheilungen über den neuen Ritterprofessor habe ich mit wärmstem Interesse gelesen und die von allen Seiten erhaltene gute Auskunft wie der eigene gute Eindruck geben ja nach Menschen- || möglichkeit eine sichere Gewähr, dass Deine Wahl die rechte gewesen, das die Erinnerungen an das elende Intermezzo zwischen Lang und Ziegler bald verblichen sein werden. Daß ich dem neuen Collegen, wenn er hält, was er jetzt glücklich verspricht, und wenn er Dir ein guter College sein wird, auch in aufrichtigster collegialer Gesinnung gegenübertreten werde, bedarf keiner besonderen Versicherung.

Und nun nochmals Dir und den lieben Deinigen diea herzlichsten Wünsche und von Haus zu Haus die allerbesten Grüsse.

Dein

M. Fürbringer.

a eingef. mit Einfügungszeichen: die

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
09.09.1898
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1317
ID
1317