Zenker, Wilhelm

Wilhelm Zenker an Ernst Haeckel, Berlin, 28. April 1863

Berlin den 28 April 1863.

Lieber Freund!

Trotz allen guten Willens habe ich vor meiner Hochzeit keine Zeit gefunden, Ihnen das Bevorstehen derselben anzuzeigen. Es wäre mir so angenehm gewesen, wenn auch Sie und Ihre liebe Frau Professorin uns im Geiste hätten folgen können; und daß dies geschehen wäre, davon bin ich überzeugt.

Aber nun will ich’s nachholen und so wissen Sie also, falls Sie es noch nicht aus der Zeitung erfahren haben, daß gerade heute vor 14 Tagen, Sonntag den 12. April Nachmittags 3 Uhr unsre Trauung in der kleinen St Lucas Kirche stattfand und daß wir seitdem Mann und Frau sind, freilich nicht Herr Professor und Frau Professorin, sondern nur Herr Dr und Frau Doktor, die sich bescheidentlich aber freundlichst dem ehrwürdigen älteren Ehepaar empfehlen lassen.

Wohin werden Sie nun Ihre Gedanken wenden, uma anb uns zu denken? Das reizendste Quartier von || Berlin, denn das natürlich bewohnen wir, befindet sich Anhaltische Communication No 11 auf dem Hofe 3 Treppen hoch mit reizender Aussicht auf blühende Gärten und labyrinthische Höfe der Wilhelmstraße und Anhaltischen Straße. Führt Sie, Mann oder Frau oder Beide, ein glücklicher S. W. Wind einmal nach Berlin, so versäumen Sie ja nicht, in unsre Alpenregion hinauf zu klimmen. Selbst Rigi oder Faulhorn werden Ihnen keine so freundliche Aufnahme gewähren können als Sie bei Zenkers finden.

Wenn Sie auf so u. so viele vorangegangene glückliche Ereignisse schließen, als Anstellung u. dgl. m., dann freilich irren Sie völlig. Meine Stellung ist zwar die wie zu Weihnachten, nämlich auf Warten angewiesen. Trotzdem spült sich Manches nieder und trotzdem blüht der Hoffnungsbaum, der seine Wurzeln in der Zukunft schlägt. Trotzdem und trotz manchen betrübenden Krankheitsfalls in meiner Familie konnten wir doch auch einen fröhlichen Polterabend || feiern, bei dem ich sogar durch das Erscheinen eines Krebses lebhaft an den Ihrigen erinnert wurde.

Doch nun genug! Sie sind übrigens nie vor einem Besuche sicher. Wenigstens ist es unsere Absicht, einmal die Nachbarschaft zur Geltung zu bringen und Sie in irgend einer schönen u. besonders freien Jahreszeit meuchlings zu überrumpeln. Bis dahin aber fürchten Sie sich nicht, sondern bleiben Beide, das bitten wir Beide herzlich, freundlich gewogen Ihren Collegen

Wilhelm Zenker

Henriette Zenker, geb. Rellstal

a korr. aus: uns; b korr. aus: au

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.04.1863
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 12852
ID
12852