Strasburger, Eduard

Eduard Strasburger an Ernst Haeckel, Nizza, 23. November 1876

Nizza d 23/11 1876.

Quai du Midi 19

III.

Theurer Freund!

Hätte ich in Wirklichkeit einen Ruf nach Dresden erhalten, Du wärest der Erste dem ich es schriebe – allein es handelte sich nicht um einen Ruf, vielmehr nur um eine Anfrage Fritz Schultze’s, unter welchen Bedingen ich wohl einen Ruf annehmen würde. Ich habe das an Seebeck ausdrücklich geschrieben und weiss daher auch nicht, weshalb er || von einem Ruf als fait accompli gesprochen. Fritz Schultze bat mich die Angelegenheit völlig geheim zu halten, es wäre mir daher recht peinlich, wenn sie bekannt werden sollte. Nur Seebeck glaubte ich orientiren zu müssen da ich ihm gelegentlich versprach ihn in ähnlichen Fällen sofort von der Sachlage zu informiren. So kann er dann auch bei Zeiten seine Instructionen einholen. Unter uns gesagt, würde ich mich wundern || wenn die Dresdner auf die in meinem Brief an Fritz Schultze formulirten Bedingungen noch anbeissen sollten – ich habe daher auch der ganzen Angelegenheit gegenüber einen festen Stand noch nicht eingenommen. Wohl bin ich mir aber dessen bewußt was gegen Dresden spricht und weiss ich nur zu gut, was ich an Dir verlieren würde. Andererseits bin ich einigermassen darauf gespannt was mir Seebeck schreiben wird. Dass Du mich || so warm nach Tübingen empfehlen, dafür möchte ich Dir, alter Freund, die Hand drücken können indess nun beide Aussichten auf Berufung gleichzeitig kommen mussten! – Was ist denn eigentlich mit Hofmeister geschehen? Trat er zurück? Merkwürdig genug kommt mir das nun freilich vor, gerade an dessen Stelle vorgeschlagen zu werden!

Von Eurer Wetter-Misere, den herrschenden Masern etc. in dem berühmt gesunden Jena, habe ich bereits durch Inspect. Maurer erfahren, dass aber all das Uebel || auch gerade wieder die lieben Deinigen treffen muss, ist mehr denn traurig. Wie von Herzen gern möchte ich Euch hier sehen, wo täglich fast die Sonne scheint und ich nur vorsichtshalber gegen Abend meinen Frühlingsüberzieher anthue. Alle Heiden draußen sind voll blühender Rosen und ich bringe von jedem Spaziergange die schönsten Sträusse mit. Die Orangen beginnen sich goldig zu färben und in einigen Wochen erlebt man wieder die Veilchen. Dazu diese herrli-||che Welt; bist Du auf dem Mont Doron gewesen, so weisst Du auch wie man sich fast mit Gewalt von dem herrlichen Bilde jedesmal losreissen muss; – unter solchem Himmel, in solcher Gegend möchte ich gern in ewigem Winter leben. Nur unser Juni lässt sich mit jetziger Jahreszeit hier vergleichen und bekommt dieses Wetter meiner Frau und meinen Kindern ausgezeichnet – dass ich mir einen Magenkatarr geholt, be-||weisst aber nur dass man einen solchen überall bekommen kann.

Mit Siphoneen bin ich fleissig beschäftigt; meine Neigung zu denselben wird immer stärker. Neulich brachte ich in der Darse von Villafranca auch eine Masse Schwämmlinge zum Vorschein, kannst Du etwas von den selben brauchen? Recht dumm ist es, dass sich die Seepflanzen so schlecht cultiviren lassen, dadurch wird die Gewinnung vollständiger Entwicklungsreihen bedeutend erschwert. || Was Du mir über unsere Facultaet mitgetheilt hast, verdriesst mich sehr, ist denn zum Wenigsten vorgesehen worden, dass solcher Unfug sich nicht wiederhole? Freund Hildb. hat wohl aus sammtlichen drei Fächern examinirt?

So mag es denn wirklich zehn Mal leichter werden ein Doctor Examen, denn eine Abiturienten Prüfung zu leisten!

Zu den vielen Zuhörern wünsche ich Dir herzlich Glück und drücke Deine liebe Hand in Gedanken

Dein

E. Strasburger

Herzliche Grüsse an Deine liebe Frau. Baldige Besserung all den Deinigen.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
23.11.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 12722
ID
12722