Strasburger, Eduard

Eduard Strasburger an Ernst Haeckel, Dresden, 20. August 1871

Dresden d. 30/8 71.

Theurer Freund!

Ich hoffe dass Dich dieser Brief noch bei Deiner 41 Tafel in Jena antreffen wird, oder solltest Du es nicht ausgehalten haben? ich höre die meisten unserer gelehrten Collegen sind verreist, was bleibt aber Jena ohne höhere Intelligenz und bei dieser Hitze. Wir können uns doch wenigstens hier im Theater abkühlen bei + 40° R. Doch ich muss mit dem Anfang beginnen. Wir waren also zunächst 2 Wochen in Teplitz, wo ich zwar Loranthus auf den Eichen gefunden habe aber ohne Beeren dran, || so dass ich mich im ganzen ziemlich gelangweilt habe. Hier in Dresden angekommen fand ich meine Karten aus Jena vor und machte mich auch sofort an die Arbeit. Es geht im ganzen ziemlich gut und ein Stück Manuscript liegt sogar schon druckfertig da. Zur Erholung gehen wir alle Tage Nachmittags in die Gallerie; höchst sehenswerth ist auch die Holbein Ausstellung, vor Allem wegen der beiden Madonnen. Ich gebe der Darmstädter den Vorzug, doch müsstest Du eigentlich selber herkommen um Dir ein Urtheil über dieselben zu bilden. Von heute über zehn Tage reist mein Bruder von hier ab, dann kann ich Dir sogar ein Zimmer bei mir anbieten: Ferdinand Str. 6. Doch ich habe noch über eine andere wichtige Sache mit Dir zu sprechen. || In Teplitz bin ich von einem Lemberger Professor angehalten worden namens Liske, der mich durchaus bewegen wollte dorthin zu gehen. Es hätte sich dort verbreitet dass ich den Ruf nicht annehmen würde und wäre ich infolge dessen nicht berufen worden – doch brauchte ich nur ein Wort zu sagen damit dies geschehe. Weiter erhielt ich einen Brief von einem früheren Collegen aus Jena der sich jetzt dort habilitirt hat und der mich nach den Bedingungen fragt unter denen ich nach Lemberg gehen würde, endlich schickt mir mein Schwiegervater heute einen Brief aus Warschau den ich Dir in Uebersetzung mittheile mit der Anfrage wie ich mich zu der ganzen Sache verhalten soll. Würden mir gewisse Vortheile in Jena geboten, so würde ich es am liebsten zu keinem Ruf aus Lemberg kommen || lassen, da die Sache dort zu leicht eine Politische Färbung erhält, die leicht auf meine noch in Polen wohnhafte Familie nachtheilig zurückwirken könnte – im entgegengesetzten Falle muss ich es freilich voll darauf ankommen lassen. Du wirst wie ich in der Sache denken, und da ich andererseits auch weiss wie gut Du es mit mir meinst, so schicke ich Dir, wie erwähnt, die Übersetzung des einen Briefes, der insofern einige Bedeutung hat, als der Verfasser Reichrathsabgeordneter für Krakau und Vorsitzender im Galitzischen Abgeordneten Kreise ist, und bitte Dich mir in der Sache zu rathen. Ich will Deinen Brief erwarten, bevor ich an meine Schwiegermutter schreibe, und danach die Antwort fassen.

Du wirst Dich anstrengen müssen um meinen Brief auf diesem schlauen Papiere lesen zu können, doch zu meiner Entschuldigung kann ich anführen, dass ich das Papier nicht selber gekauft habe und augenblicklich kein anderes aufzutreiben war.

Viele Grüsse an Deine Frau Die Cur wird Ihr doch wohl gut bekommen haben.

Ich drücke Dir herzlich die Hand

Dein E. Strasburger

Viele Grüße von meiner Frau.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
30.08.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 12716
ID
12716