Fürbringer, Max

Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Jena, 3. Oktober 1890

Jena, 3.X.1890.

Hochverehrter Herr Professor!

Ihr lieber Brief, den wir gestern mit grosser Freude und viel Dank erhielten, hatte nur einen dunkeln Punkt, aber einen sehr dunkeln: die eventuelle Aufgabe der Reise von Seiten Ihrer Frl. Tochter. Ruges und Webers – von uns wollen wir nicht sprechen – hatten sich so sehr darauf gefreut, Ihre Tochter bei sich zu sehen und ihr Amsterdam zu zeigen, dass wir, etwas eigenmächtig (was Sie gütigst verzeihen wollen) sogleich beschlossen, die Hoffnungen und die Freude unserer Freunde zu retten, wenigstens den Versuch dazu zu machen. Meine Frau ist denn auch gleich zu Ihnen hinausgegangen und hat Ihr Frl. Tochter resignirt, aber, wenn sie recht beobachtet, doch voller Lust für die gute Sache gefunden. Fehlt nur noch der Papa und der wird, glauben wir, nicht Nein sagen, – falls er uns das Zutrauen schenkt, dass wir seine Tochter gut und heil zu ihm bringen werden. ||

Feierlichst versprechen wir hiermit, Alles zu thun, was in unseren Kräften steht, dass Ihrer Frl. Tochter unterwegs nicht Schaden und Leid widerfahre; da wir alle Drei schon manche Reise gemacht, so hoffen und vertrauen wir, dass es auch gelingen wird, unser Versprechen einzulösen.

Wir hatten daran gedacht, am 10. oder 9. Nachmittags von hier abzureisen, in Magdeburg zu übernachten und den nächsten Tag via Hannover und Oberhausen nach Amsterdam zu fahren, wo wir also am 11. od. 10. Abends ankommen würden. Diese Route ist die schnellste; die über Frankfurt bedeutet einen erheblichen Umweg, die etwas directere über Cassel ist fürchterlich, da man immer umsteigen muss und wiederholte Aufenthalte von längerer Dauer hat. Magdeburg scheint uns am geeignetsten zum Übernachten mit Rücksicht auf die möglichst gute Vertheilung der Wegstrecken; ein Durchfahren bei Nacht würde, wenigstens bei uns beiden Alten, die Frische am ersten Tag in A. beeinträchtigen. Da die || Retourbillets nur von Magdeburg aus (mit nur 6 oder 7 tägiger Gültigkeit) zu haben sind, ziehen wir vor, combinirte Billets uns zu besorgen.

Das waren unsere Ideen, wenn wir allein gereist wären. Selbstverständlich modificiren wir sie gern, wenn Sie uns die Ehre und Freude schenken, Reisemarschalls für Ihr Frl. Tochter zu sein. Wir leben eigentlich schon ganz in dem Gedanken, dass wir die Reise zu Dritt machen werden, und freuen uns nicht wenig darauf. Von Amsterdam aus, wo die Tochter bei Ruges die beiden Reisetage ausschlafen wird, kann sie Ihnen dann nach den Haag entgegenreisen und mir wird es eine Freude sein, sie dahin zu begleiten.

Wenn Sie also gesonnen sind, die allseitigen Wünsche gütigst zu erfüllen, so darf ich wohl auch bitten, dass Sie uns noch speciellere Weisungen geben. Eile mit der Antwort würde nur dann erforderlich sein, wenn Sie auch für Ihr Frl. Tochter ein combinirtes Billet (mit specieller Angabe der Route) wünschten. Von Herzen gern würde ich das zusammenstellen. ||

Noch muss ich wegen einer zweiten Eigenmächtigkeit um Verzeihung zu bitten. Prof. Kubrecht in Utrecht, mir befreundet und voll gesunder morphologischer Ideen, wird schon am 12. X. abreisen, um das Schiff nach Niederländisch Indien (wo er ein Jahr lang bleiben will) rechtzeitig zu erreichen. Da er sonach um die Freude gekommen wäre, Sie in Amsterdam zu sehen, so war ich so indiscret, ihm Ihre Adresse in Haag mitzutheilen. Dort wohnt auch sein Vater, der Staatssecretär im Ministerium des Innern und der eigentliche Decernent für den Cultus ist; ich weiss nicht, ob er es wagen wird, Sie aufzusuchen; sollten Sie aber dennoch gestört werden, so wollen Sie es ihm nicht anrechnen, da der eigentliche Übelthäter in Jena sitzt.

Das Wetter ist jetzt herbstlich geworden; hoffentlich schenkt er uns doch noch gute Tage.

Also auf ein recht frohes Wiedersehen! Mit den besten Grüssen und Empfehlungen von uns Beiden verbleibe ich

Ihr treu ergebener

M. Fürbringer

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.10.1890
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1247
ID
1247