Zacharias, Otto

Otto Zacharias an Ernst Haeckel, Dessau, 14. Mai 1876

Dessau den 14. Mai 1876

Geehrtester Herr Professor!

Ich erlaube mir, Ihnen einmal wieder über die projectirte Darwin-Monatsschrift zu berichten. Ich habe die Sache keines wegs aufgegeben, sondern bin im Gegentheil daran, ernstlich mit der Zusammenstellung des ersten Heftes zu beginnen. Prof. G. Jäger will mich mit aller Kraft unterstützen; auch Darwin selbst, der mir dieser Tage wieder sehr liebenswürdig geschrieben hat, wird mich hier u. da mit Stoff versorgen. Oskar Schmidt wird auch mit helfen u. so wird’s wohl in der ersten Zeit gehen. Ich denke immer, man muß anfangen, damit die Leute aufmerksam werden. An Sie, Herr Professor, hätte ich noch eine ganz besondere Bitte. Ich möchte Sie nämlich ersuchen – wenn Sie Interesse für den guten Anfang der Sache haben – mir in einer freien Stunde die Skizze zu einer Vignette für den Umschlag der Hefte zu || entwerfen. Ich habe folgende Idee: Oben quer über die Umschlagsseite soll [Zeichnung: Linie in Bogenform] bogenförmig der Name der Zeitschrift (Darwinia) stehen. Innerhalb des Bogens kommt dann in Medaillenformat Ihr u. Darwins Brustbild. Eingerahmt soll die ganze Seite werden, von einer arabeskenartigen Darstellung des thierischen Stammbaumes. Diese Composition mit wissenschaftlichem u. künstlerischem Geiste darzustellen, wäre nun Ihr Werk, Herr Professor. Ich will gern reinen Mund darüber halten – wenn Sie mir nur die Sache für den Zeichner andeuten. Beiliegend ist eine rohe Skizze von mir in fünf Minuten gemacht. Sie würden das Ganze natürlich schmuck- u. verständnisvoller anordnen, aber der Grundtypus scheint mir brauchbar. Die Sonne hinter den Medaillons soll sowohl die höhere Einsicht, die intellectuelle Erleuchtung, als auch die physische Macht darstellen, die das Leben anregt u. erfüllt. Die Größe der ganzen Composition würde den Flächen-||inhalt des Athenäumformats nicht überschreiten dürfen. Es wäre wirklich im Interesse der ganzen Sache, wenn Sie sich die Mühe des Skizzirens unterziehen wollten. Ein ganz nackter, kahler Umschlag sieht doctrinär aus u. wirkt aus psychologischen Gründen abstoßend auf die anschauungsbegierige Volksmasse. Als Redacteur kennt man seine Pappenheimer schon – – ! Bitte schreiben Sie mir gelegentlich, ob Sie mir meine Bitte erfüllen wollen. Ich kenne keinen andern Menschen, der in gleicher Weise, wie Sie – geehrter Herr Professor – eine solche Vignette zu componiren im Stande wäre.

Zum Schlusse erlaube ich mir noch zu bemerken, daß ich gegenwärtig hier in Dessau, nicht mehr in Görlitz, wohne. Das Anhaltische Ministerium hat mich als Redacteur des Staatsanzeigers hierher berufen. Mir ist es ja gleich, wo ich existire.

Hochachtungsvoll grüßend

Ihr Otto Zacharias

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.05.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 11885
ID
11885