Scheffauer, Herman

Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, Berlin, 3. August 1917

Taunus Str. 13, Berlin-Friedenau,

3ten August, 1917

Lieber Herr Professor:

Fuer Ihren lieben Brief vom 10ten Juli sagen wir Beide herzlichsten Dank. Auch fuer das schönea Ex Libris – es ist höchst interessant und stimmt nicht nur mit Ihre Affinität mit dem grossen Goethe zusammen, sondern kam uns desdo erfreulicher da wir letzten Juni auf unserer Heimreise von dem Odenwald auf mehrerenb Stunden in Weimar abstiegen und Goethe in seinem Haus besuchten – ich war seit 1904 nicht wieder dort gewesen, und meine Frau noch nie. Auch in Frankfurt besuchten wir den grossen Geist. Schade dass wir nicht einen kleinen Abstecher auch noch nach Jena machen könnten – aber die Zeit drängte. Wir gehen bald nach Potsdam und beschauen uns Ihr Elternhaus!c

Sie haben vollig Recht in Ihrer Beurteilung Wilsons. Ich halte ihn fuer einen den infamsten Verbrecher der Menschheit und ich habe mir vorgenommen dass ich ihn noch einmal persönlich fuer seine endlose Niederträchtigkeiten bestrafen wurde. Wenigstens werde ich ihn in seiner Schande bloss stellen. Ich schäme mich es zu sagen aber es giebt keine Schurkerei die von den Engländern begangen worden ist die dieser blutbeschmutzte Lakai John Bulls nicht zu uebertrumpfen sucht. Fuer meine Landsleute empfinde ich nur Verachtung und Abscheu. In der „Bridge“ sollen auch sie die Wahrheit zu hören bekommen. Wahrscheinlich wird sie in der ersten Zeit mehr „bridge-head“, „Brückenkopf“ als „Bridge“ sein.

Schauerlich wie diese Tragödie einen grossen Lehrer des „Schönen, Guten, Wahren“ vorkommen muss – so ist sie doch nicht ganz Verlust und Verderben. Den unter den Trümmern von so viel Edlen gehen auch die alte Götzen des Aberglaubens, wenigstens des christlichen Aberglaubensd zu Grunde – die altee Lüge liegt jetzt im Sterben – und die Generationen die kommen werden werde in Ihnen einen der herrlichsten Vorkämpfer des neuen Zeitalters sehen.

Es tat uns sehr, sehr Leid, lieber Herr Professor, zu hören dass || Sie Beschwerden mit Ihren Herz und Nerven haben – aber sollte es auch ein vierter Kriegswinter geben – was durch die Manie der Feinde scheinbar ist, so werden wir alle auch diesen durchhalten – denn der Frühling des Friedens kann nicht mehr sehr fern sein. Hoffentlich sind Sie nicht allein – sondern geniessen eine liebevolle Pflege – wenn auch nicht immer von den lieben Hände Ihrer Enkelin.

Möge dieser Brief Sie in besserer Gesundheit finden, und seien Sie herzlichst gegrüsst von uns Beiden. Von Dr. Breitenbach habe ich einen sehr netten Brief erhalten. Auch der „Monisten Bund“ ist in „The Bridge“ interessiert,

Wie immer Ihr getreuer und ergebener

Herman George Scheffauer

P.S. Wenn es nicht unverschämt wäre so wurde ich Sie – fuer noch einigen Exemplare des „Ex Libris“ fragen – die ich später an gewisse Ihrer ausländischen Verehrer schicken wurde –wenn die Post wieder frei ist.

a korr. aus: schön; b korr. aus: mehereren; c eingef. mit Einfügungszeichen *: Wir gehen…Ihr Elternhaus!; d korr. aus: Abergalaubens; e eingef.: alte

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.08.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 11523
ID
11523