Gadow, Hans

Hans Gadow an Ernst Haeckel, Cambridge, 10. September 1898

UNIVERSITY MUSEUM OF ZOOLOGY,

CAMBRIDGE.

10 Sept. 1898

Mein verehrter lieber Freund

Vielen Dank fuer Ihren lieben Brief aus Jena. Hoffentlich haben Sie die Folgen der Cambridger physischen und moralischen Excesse wieder ueberstanden ohne weitere Nebenwirkungen. So etwas laesst sich beim besten Willen nicht ganz vermeiden, und auch wir juengeren Theilnehmer waren ziemlich erschöpft. Hier ist seit 10 Tagen eine wahnsinnige Hitze ohne einen Tropfen Regen.

Rolle und Koffer sind wieder an Gebrekens geschickt worden. Fracht || werden Sie von Boston an zu zahlen haben. Von hier bis Boston, also englische Bahn hat das unser Receptions-Comité besorgt.

Kofferreparatur habe Sie laengst mit 8 abgetragen; das haben Sie wohl vergessen, dass Sie mir diese grosse Summe am Freitag morgen einhaendigten.

Den reichen Buecherschatz welchen Sie in freigebiger Weise hier gelassen, habe ich theilweise vertheilt, nach den Ferien werde ich wohl noch Manchen finden, der mir würdig erscheint ein solches Geschenk zu erhalten. Leider aber || sind während der Congresstage mehrere Herren hier in meinem Zimmer gewesen und „haben sich geholfen”, sodass ich nicht einmal weiss wer die Besitzer sind. So sind zum Beispiel die Indischen Reisebriefe spurlos verschwunden. Dubois, Milne Edwards, Gardiner haben arabische Corallen erhalten; Bennecken, Dubois: Gastraea. Eine Gastraea und die SchoepfungsGeschichte habe ich mir angeeignet. Pracht-Corallen hat meine Frau. Darf ich mir auch die Kalkschwaemme und Bd. 1 und 2 der Phylogenie anpassen?

Nun noch etwas geschäftliches.

Kuerzlich schrieb mir ein Kerl er haette Ihre Erlaubniss eingeholt Ihre Adresse || in seinem obscuren Journal abzudrucken und er wuerde mir verpflichtet sein wenn ich ihm das M. S. schickte! Das glaube ich! Unterdessen bin ich mit meinem Verleger A & C Black persoenlich in Verhandlung getreten, die Adresse bei ihm als selbstaendiges kleines Werk herauszugeben.

Ich bitte Sie nun um die Erlaubniss die Adresse druckfertig abzusenden, und mit einem erklaerenden Appendix von Noten versehen zu duerfen. Zum Beispiel kurze Biographien der erwaehnten Autoritaeten, wie Lamarck, Mueller, St. Hilaire etc. mit Angabe ihrer Werke, Erklaerung technischer Ausdruecke systematischer Natur, eine kurze geologisch-palaeontologische Tabelle und dergleichen. Das Ganze muss fuer das Verständniss des allgemeinen Englisch-redenden Publikums zurecht gemacht werden, da weder Ihre Anthropogenie, noch die neuen Auflagen der Schoepfungsgeschichte, noch die Phylogenie ins Englische übersetzt sind.

Auch mehr Detail Ausfuehrung der Uebereinstimmung von Hand mit den uebrigen Anthropoiden wuerde vielleicht rathsam sein. Obgleich Huxley schon fast Alles bedacht hat, so ist doch manches von den Sarasins nachgetragen worden. ‒ Alles so etwas wuerde ich im Appendix nachtragen, wenn Sie nicht vorziehen dies selbst zu thun und dem Text einzuverleiben.

Wir beide stimmen ja vollkommen ueberein, cf. S. 53 und 54 meiner Ihnen geschickten Classification of Vertebrata.

Natürlich werde ich Ihnen Correcturbogen zur Begutachtung zuschicken. ||

Mit derselben Post sende ich Ihnen einige Zeitungsausschnitte. Einige Nummern des Daily Graphic werde ich noch nachschicken. Es ist eigentlich nur Standard lesenswerth da die anderen Zeitungsreporter nichts davon verstanden, daher meist nur kurze Notizen brachten.

Das Taschentuch gehoert wahrscheinlich Ihnen dem schoenen EH nach zu schliessen.

Nun zum Schluss besten Dank fuer die grosse Freude die Sie mir und meiner Frau, und vielen vielen Englischen Bekannten durch Ihren lieben Besuch gemacht haben.

Herzlichen Gruss von meiner Frau und Ihrem

HGadow.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.09.1898
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1117
ID
1117